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Bester Zeitpunkt für die Komplettierungsoperation (Glockzin)

Bester Zeitpunkt für die Komplettierungsoperation (Glockzin)

| Beitrags-ID: 251033

Hallo,

diese Studie von Gabriel Glockzin und anderen Regensburger Chirurgen und Ärzten ist eine retrospektive Studie, um festzustellen, wann der beste Zeitpunkt für eine Komplettierungsoperation ist , sowohl hinsichtlich des Auftretens von Nebenwirkungen der Schilddrüsenoperation als auch bezüglich der weiteren Krebsbehandlung.

Untersucht wurde dazu die Daten von 128 Patienten, die zwischen 1993 und 2009 zwei mal an der Schilddrüse operiert werden musste, weil nach der ersten Schilddrüsenoperation ein Schilddrüsenkarzinom festgestellt wurde.

Die Patienten wurden in 5 Gruppen eingeteilt bezüglich des Zeitpunkts der zweiten, Komplettierungsoperation:

  1. 1. bis 3. Tag nach der ersten Operation
  2. 4. – 7. Tag nach der ersten Operation
  3. 1.-7. Woche nach der ersten Operation
  4. 7. -12. Woche nach der ersten Operaion
  5. mehr als 3 Monate nach der ersten Operation

Eine vorübergehende Nebenschilddüsenunterfunktion (transient Hypoparathyreoidismus) trat im Mittel bei 7,0 % der Patienten auf, eine dauerhafte (persistent) trat bei 3,1 Prozent dieser Patienten auf.
Deutlich erhöht war die Rate der dauerhaften Nebenschilddrüsenunterfunktion in den Gruppen b. bis d. (7,1%; 4,5 %; 3,8%) gegenüber 0% in den Gruppen a. und e.

Die dauerhafte Beeinträchtigung des Stimmbandnervs war höher in den Gruppen b.-d. (7,1%; 4,5 %; 3,8%) als in den Gruppen a. und e. (0%).

In Anbetracht dieser Ergebnisse empfehlen die Autoren dieser Studie, dass eine Komplettierungsoperation innerhalb der ersten 3 Tage oder 3 Monate nach der ersten Operation erfolgen soll.

Viele Grüße
Harald

siehe auch:
Jens Assmann
Komplettierungseingriffe beim Schilddrüsenkarzinom
Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Medizin (Dr. med.) vorgelegt an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (2003)
siehe dazu https://www.sd-krebs.de/phpBB2/viewtopic.php?p=39044#39044 von jogger (5.1.2007)


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Antwort auf: Bester Zeitpunkt für die Komplettierungsoperation (Glockzin)

| Beitrags-ID: 349779

Hallo,

die Studie bzw. der Artikel ist frei zugänglich über den obigen Link.

Ein paar kritische Anmerkungen von mir zu dieser obigen retrospektiven Studie.

Retrospektive Studien haben den Nachteil, dass eine Vielzahl von Entscheidungen in die Behandlungen einfließen, so dass es eben nicht zufällig ist, wer innerhalb der ersten 3 Tage, in der 1.-7. Woche, oder erst nach 3 Monaten eine Komplettierungsoperation erhält.

Für den Chirurgen ist jeder Tag länger, der gewartet wird mit einem höheren
Risiko verbunden, den Stimmbandnerv oder die Nebenschilddrüsen zu verletzen,
weil bereits wenige Stunden nach einer Operation der Wundheilungsprozess beginnt.
Dazu braucht es keine Studie, dies ergibt sich aus der täglichen chirurgischen Praxis.

In der retorspektiven Analyse finden zwar die Autoren keinen Unterschied zwischen den Gruppen bezüglich des Ausmaßes der Lymphknotenentfernung als auch des Tumorstadiums nach T1-T4.

Patienten, die in der Vergangenheit noch von der 1. bis 7. Woche nach der ersten Operation ein zweites mal operiert wurden, hatten sicherlich ein höheres Risiko, so dass der Chirurg auch dann noch operierte.
Und ebenso wartete man sicherlich mit ruhigeren Gewissen die 3 Monate der Wundheilung ab, wenn es sich um einen very-low-risk Patienten handelte.

Von der evidenzbasierten Medizin wird daher möglichst immer eine prospektive Studie gefordert, in der Patienten per Zufall der ein oder anderen Gruppe zugeordnet werden.

Eine solche Studie ist jedoch ethisch hier in diesem Fall nicht vertretbar, da man weiß mit jedem Tag später ist eine Komplettierungsoperation schwieriger.

Die Autoren der Studie behaupten nun als Ergebnis ihrer Studie, dass das Risiko für Nebenwirkungen (Stimmbandnervverletzung, Nebenschilddrüsenunterfunktion) geringer ist, wenn man innerhalb von 3 Tagen nach der erst Operation bzw. 3 Monate danach operiert.

Diese Behauptung wirft jedoch eine Vielzahl von Fragen auf:

  • Wie wurden die Zeiträume in dieser Studie festgelegt/definiert. Warum wurde der erste Zeitraum nicht mit dem 1.-2.Tag, eine weiterer 3.-5. Tag … festgelegt?
  • Bei der Darstellung der Ergebnisse wurden Signifikanzwerte von p < 0.003 aufgeführt.
    Dies suggeriert als wäre das Ergebnis sehr sicher nicht dem Zufall geschuldet.

    Da jedoch die Nebenwirkungen sehr selten sind und nicht klar ist wie die Definition der Zeiträume zustande kam, kann dies auch ein Effekt sein, dass man sich die Zeiträume eben im Nachhinein zurechtgelegt hat.

    Würde man eine prospektive Studie mit dieser Fragestellungen (also den in der Studie definierten Zeiträumen) planen, so müsste man viel mehr Patienten in die Studie einschließen (mindestens 140 statt 128 Patienten, um eine Power von 80% zu haben).

    Um die Frage beantworten zu können, ab welchem Tag (2.Tag; 3. Tag ; 4.Tag; 5. Tag…) das Risiko der Nebenwirkungen deutlich ansteigt, so dass eine Verschiebung auf nach 3 Monaten ratsam ist, müssten noch viel mehr Patienten in eine Studie eingeschlossen werden.

Trotz dieser Mängel und dem etwas willkürlichen Gebrauch statistischer Methoden, lässt sich aus dieser Studie sicherlich schlussfolgern, dass alles getan werden sollte, um den Zeitraum bis zur Kompletierungsoperation im Einzelfall so kurz wie möglich zu halten. Ab welchem Tag genau man die Komplettierungsoperation besser 3 Monate verschiebt, wird man auch in Zukunft im Einzelfall entscheiden müssen, ohne gutes evidenzbasierte Wissen, was denn nun jeweils besser ist.

Viele Grüße
Harald

Anonym
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