Oft vernachlässigt: So beraten Sie Patienten zu Krebsdiäten – damit sie nicht in eine Mangelernährung schlittern

Dr. Klaus Fleck

Interessenkonflikte

5. März 2018

Nicole Erickson

Berlin – Zwischen 30 und 85% aller Krebspatienten gelten als mangelernährt. Der Anteil variiert je nach Tumorstadium, -art, -lokalisation und jeweiligen Therapieansätzen. „Mangelernährung hat vielfältige Ursachen und verschlechtert die Lebensqualität und Prognose. Oft übersehen Ärzten dabei den Einfluss sogenannter Krebsdiäten“, konstatierte Nicole Erickson, Ernährungswissenschaftlerin und Diätassistentin vom Comprehensive Cancer Center am Klinikum der Universität München, auf dem 33. Deutschen Krebskongress in Berlin [1]. Eine bedeutende Anzahl von Patienten folge solchen Diäten. Sie tragen erheblich zu einer Mangelernährung bei, so Erickson. Von großer Bedeutung ist hier eine vertrauensvolle Kommunikation mit den Patienten.

Die Münchener Expertin verwies auf eine italienische Studie, nach der rund die Hälfte der befragten Patienten mit unterschiedlichen Krebserkrankungen angab, eine Form von Komplementär- und Alternativ-Medizin (CAM) zu nutzen. Zu den Quellen, aus denen die Patienten ihre entsprechenden Informationen bezogen, zählten in erster Linie die Medien wie Internet (48%), aber auch Freunde (19%) und andere Patienten (12%), hingegen nur sehr selten Ärzte (6%).

Zwischen Wissenschaft und Scharlatanerie

Besonders viele Ansätze der Komplementär- und Alternativmedizin beziehen sich auf die Ernährung: in Form von Diäten oder der gezielten Zufuhr von Vitaminen, Mineralien, Kräuter- und Lebensmittel-Extrakten. In einer Untersuchung konnten 70% der Befragten wissenschaftliche Ratschläge nicht von Scharlatanerie unterscheiden. „Dabei sehen viele CAM-Anwender die komplementären alternativen Methoden als unverzichtbaren Teil der Therapie an“, sagte Erickson.

 
Anders als für Medikamente gibt es für Diäten aber keine Beipackzettel, in denen Patienten vor Nebenwirkungen gewarnt werden können. Nicole Erickson
 

Umso erstaunlicher: „Eine US-Studie zeigte, dass 68 Prozent der darin befragten Krebspatienten Diäten folgten oder Nahrungs-Ergänzungsmittel einnahmen, ohne es ihren behandelnden Ärzten mitzuteilen“, so Erickson.

Nebenwirkungen der Diät oder der Chemotherapie?

Zu den angepriesenen Ernährungsformen bei Krebs gehört z.B. die isokalorische ketogene Diät mit starker Reduktion von Kohlenhydraten. Doch dies geschieht ohne jeglichen Evidenz-basierten Nachweis eines Nutzens, wie eine aktuelle von Erickson und ihren Kollegen dazu vorgenommene systematische Literaturanalyse belegt. Im Gegenteil: Mögliche dokumentierte Nebenwirkungen dieser Diät sind etwa Dehydratation, Kardiomyopathie, gastrointestinale Symptome oder Nephrolithiasis. „Anders als für Medikamente gibt es für Diäten keine Beipackzettel, in denen Patienten vor Nebenwirkungen gewarnt werden können“, sagte die Münchener Ernährungswissenschaftlerin.

 
Zur Linderung von Beschwerden muss unter Umständen nicht die Chemotherapie, sondern die Ernährung angepasst werden. Nicole Erickson
 

Zudem ähneln unerwünschte Wirkungen einer Diät (oder auch einer Zufuhr einzelner Lebensmittel in ungewohnten Mengen) nicht selten den Nebenwirkungen einer Chemotherapie und werden dann fälschlicherweise letzterer zugeschrieben.

„Zur Linderung von Beschwerden muss hier unter Umständen nicht die Chemotherapie, sondern die Ernährung angepasst werden. Um das zu erkennen, ist es für Ärzte aber wichtig zu erfahren, wie sich ihre Patienten ernähren und ob sie gegebenenfalls eine solche ‚Krebsdiät‘ befolgen“, betonte Erickson.

Hilfreiche Kommunikation mit dem Patienten

Wer sich der Komplementär- und Alternativ-Medizin zuwendet, hegt häufig den Wunsch, so die Expertin, Kontrolle über ihre Krankheit zu erlangen. Autonomie zu bewahren und Angst zu reduzieren: „Hier können wir eingreifen und dem Patienten durch vertrauensvolle und einfühlsame Kommunikation Hilfe bei der Bewältigung seiner Probleme anbieten.“

 
Wir können dem Patienten durch vertrauensvolle und einfühlsame Kommunikation Hilfe bei der Bewältigung seiner Probleme anbieten. Nicole Erickson
 

Die folgenden Punkte hält Erickson bei der ernährungsbezogenen Kommunikation mit Krebspatienten für besonders wichtig und erläuterte die Empfehlungen eines australischen Literatur-Reviews mit Beispielen:

  1. Vertrauen gewinnen und beibehalten:
    Wenn Fragen nach der Ernährung auftauchen, sollte man sich über das indirekt geäußerte Vertrauen des Patienten freuen und ihn ernst nehmen.

  2. Positive und wertschätzende Antworten:
    „Sie sind sehr motiviert, aktiv Ihre Therapie zu unterstützen. Gemüse und Obst enthalten viele gesundheitsfördernde Stoffe.“

  3. Ziele des Patienten erfragen:
    „Was möchten Sie mit Ihrer Ernährung erreichen?“

  4. Ehrlich sein:
    „Ernährung kann Krebs weder heilen noch fördern.“

  5. Alternativen anbieten:
    „Ein stabiles Gewicht unterstützt Ihre Abwehrkräfte. Kann ich Ihnen ein paar Vorschläge machen?“

Unterschiede zur Evidenz-basierten Ernährungstherapie verdeutlichen

Sehr nützlich kann es ebenfalls sein, dem Patienten die Unterschiede zwischen „Krebsdiäten“ und einer Evidenz-basierten Ernährungstherapie zu erklären: etwa, dass viele Krebsdiäten eine – unrealistische – Heilung (z.B. mittels Aushungern des Tumors) versprechen, während die Ernährungstherapie auf den Erhalt oder die Verbesserung der Immunabwehr und der Lebensqualität ausgerichtet ist.

In Kooperation mit dem Comprehensive Cancer Center der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität wurde kürzlich das Projekt „Eat what you need – Was essen bei Krebs?“ gestartet. Das Ziel dieses Projekts ist es, Patienten über die zugehörige Website wissenschaftlich fundierte Informationen und Empfehlungen zu Thema Ernährung und Krebs anzubieten.

 

REFERENZEN:

1. 33. Deutscher Krebskongress (DKK), 21. bis 24. Februar 2018, Berlin

 

Kommentar

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