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miesekroete
pap. SD-Ca. pT1a N0 Mx

Antwort auf: Angst vor RJT nach SD OP

| Beitrags-ID: 381479

Liebe(r?) Metoo,

es drängt mich, Dir ebenfalls zu antworten, auch wenn Harald Dir, wie ich finde, die wichtigsten Dinge bereits beschrieben hat.

Ich hatte ebenfalls ein papilläres Schilddrüsenkarzinom und stand vor ca. 3 Monaten vor einer ähnlichen Entscheidung wie Du: Radiojod ja oder nein? Mein Tumor war jedoch ein bisschen kleiner als Deiner (genau 1 cm), auch hatte ich keinen Druck ärztlicherseits, mich in die eine oder andere Richtung zu entscheiden. Und wie Du leide ich seit vielen Jahren an einer Depression.

Als mein Krebs diagnostiziert wurde, war ich gerade erst seit wenigen Wochen einigermaßen stabil: Ich hatte im Frühjahr nach langjähriger Einnahme mein Antidepressivum abgesetzt wegen enormer Müdigkeit und abnehmender Wirkung. Die Auswirkungen des Absetzens zogen sich über Monate: Wechsel von extremen Hochs und Tiefs, hypoman gesteigert, dann wieder völlig am Boden. Irgendwann war der Spuk vorbei – aber die Diagnose Schilddrüsenkrebs da.

Ich habe – auch wegen der Depression – auf eine RJT verzichtet. Mein Bedürfnis war: Bloß gut auf die zerbrechliche Seele aufpassen. Schnell eine Tagesstruktur zurückgewinnen. Schnell zurück in die Euthyreose. Auch fühlte ich mich noch nicht stabil genug, mich einer weiteren Herausforderung in Form eines mehrtägigen Krankenhausaufenthalts zu stellen (für die OP brauchte ich nur eine Nacht stationär zu bleiben). Das sind sicherlich nicht die Kriterien, die man in den Leitlinien der Schilddrüsengesellschaften liest, aber für mich war all dies wichtig.

Ich möchte Dir Mut machen: Mir geht es – ohne Antidepressivum, aber mit Schilddrüsenhormon-Substitution – viel besser als früher. Ich fühle mich seit der OP nicht mehr depressiv und bin rückblickend der Meinung, dass mein jahrelanges Kratzen am Rande der Unterfunktion meine Depression zumindest mitverursacht hat. Nun schlucke ich täglich meine Energiepillen aka Schilddrüsenhormone und fühle mich gut! Dies wünsche ich Dir auch!

Dennoch stimme ich Harald zu: Weitere Aspekte solltest Du in Deine Entscheidung für oder gegen Radiojod einfließen lassen:
Weißt Du etwas über Deine Lymphknoten? Wurden sie histologisch untersucht und sind frei von Tumorzellen? (Bei mir wurden 10 Lymphknoten des sog. zentralen Kompartiments entfernt und waren in Ordnung, was für mich ein Argument gegen die RJT war, denn wenn der Tumor streut, kommt er meist da als Erstes vorbei.

Auch die Zellformen des papillären Tumors spielen eine Rolle: Da gibt es Merkmale, die für höhere Aggressivität der Tumorzellen sprechen. Das könntest Du Deine Ärztin/Arzt fragen, falls es Dir noch nicht erklärt wurde.

Hast du TAK (= Tg-AK, Antikörper gegen Thyreoglobulin)? Bei mir ist das der Fall, sodass mein, unser Tumormarker, das Thyreoglobulin, eine nur eingeschränkte Aussagekraft hat, weil eben die Antikörper da andocken und das Ergebnis verfälschen können. Als ich das bei mir erfuhr, wurde ich kurz panisch, wünschte mir größere Sicherheit und dachte: Hätte ich mal die RJT gemacht!
Inzwischen sehe ich es anders: Ich habe Zeit. Ich kann sowohl die TAK (die bei Vorhandensein ebenfalls als Tumormarker dienen können) als auch das Tg erst mal beobachten und brav zum Ultraschall des Halses gehen. Sollten sich Befunde ergeben, die mich oder die Ärzte nervös machen, kann ich mich immer noch für eine RJT entscheiden. Das Papilläre wächst langsam, auch Du kannst Dir deswegen in Ruhe weitere ärztliche Meinungen anhören.

Übrigens gibt es noch einen „Trick“ gegen die lange Unterfunktion vor einer RJT: Man kann T3 (Thybon®), die kurzwirksame, endgültige Form des Schilddrüsenhormons, schlucken. Dieses muss meines Wissens erst 2 Wochen vor der RJT abgesetzt werden. Ich habe T3 wenige Wochen genommen, weil ich lange auf meinen Histobefund warten musste und hier keine Möglichkeit der Thyrogen-Spritzen (siehe Haralds ersten Beitrag) hatte. Mir ging es darunter sehr gut.

Ich denke aber, gerade im Hinblick auf Deine Depression sollte Thyrogen für Dich möglich sein. Ich rate Dir, die Depression offen auch fachfremden Ärzten gegenüber anzusprechen. Ich habe das gemacht und deswegen das T3 bekommen zur Überbrückung. Mein Endokrinologe, dem ich von Anfang an gesagt habe, dass das Wichtigste für mich ist, nicht wieder in die Depression zu fallen, achtet nun darauf, fragt nach meinem Befinden und ist kooperativ, wenn ich nach einer Dosisanpassung frage.

Puh, das ist ein langer Text geworden. Aber vielleicht helfen Dir meine Erfahrungen, Deine Entscheidung in Ruhe zu treffen und Dich nicht zu ängstigen, wie auch immer Du Dich entscheidest.

Alles Gute!
miesekröte

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