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FAQ: Thyreoglobulin und Nachsorge des Schilddrüsenkarzinoms

FAQ: Thyreoglobulin und Nachsorge des Schilddrüsenkarzinoms

| Beitrags-ID: 246701

Update 15.4.2020

Thyreoglobulin und Nachsorge des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms (DTC)
(Der Beitrag beruht zu großen Teilen auf den Ausführungen der amerikanischen Leitlinie)

Für wen ist dieser Beitrag von Interesse?
Betroffene mit dem differenzierten (papillär, follikulär , …) Schilddrüsenkrebs in der Nachsorge.
In diesem Beitrag wir die Bedeutung des Tumormarkers Thyreoglobulin (Tg) für den differenzierten Schilddrüsenkrebs erklärt.

Überblick und Informationen für die Nachsorge des differenzierten Schilddrüsenkrebs:

Spezielle Fragen und Studien zum Thyreoglobulin (am Ende dieses Beitrags):

In den überarbeiteten amerikanischen Leitlinien (ATA-Guidelines DTC 2015) und den europäischen Consensus-Empfehlungen (ETA-Consensus 2006) nimmt das Thyreoglobulin (Tg) (englische Schreibweise: Thyroglobulin) zentralen Stellenwert in der Nachsorge des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms ein.

Was genau hat es mit diesem Thyreoglobulin auf sich und was ist dabei auch aus der Perspektive von uns Patienten zu beachten?
Thyreoglobulin ist ein Eiweiß, welches nur von Schilddrüsenzellen und differenzierten Schilddrüsenkrebszellen produziert wird.

Mit der Schilddrüsenoperation und einer anschließenden Radiojodtherapie (= ablative RJT) werden in der Regel fast alle gesunden Schilddrüsenzellen sowie Schilddrüsenkrebszellen entfernt bzw. zerstört. Vollständig gelingt dies jedoch fast nie, ein paar wenige gesunde Schilddrüsenzellen oder auch Schilddrüsenkrebszellen bleiben meist übrig.

Weil das Tg nur von Schilddrüsen(krebs)zellen produziert wird, ist es nach Entfernung der Schilddrüse durch Operation und ablative RJT ein sehr guter Tumormarker (=Surrogatparameter). Die amerikanischen und europäischen Leitlinien sehen in der Nachsorge von Patienten mit niedrigem Risiko daher vor allem die Bestimmung des Tg-Werts und die Untersuchung des Halses mit Ultraschall durch einen erfahrenen Arzt vor. Dass Schilddrüsenkrebszellen überhaupt kein Tg produzieren, kommt zwar auch vor, ist jedoch sehr selten und es handelt sich dabei meist um wenig-differenzierte Schilddrüsenkrebszellen.

Tumormarker = Surrogatparameter

Surrogatparameter sind Blutwerte oder auch andere diagnostische Parameter, mit denen Mediziner versuchen, den Ausbruch einer Krankheit vorherzusagen, den Verlauf und die schwere einer Krankheit zu beschreiben oder auch den Erfolg einer Behandlung zu kontrollieren. Dieses Ansinnen ist sehr vernünftig, wenn es sich um langsam fortschreitende Krankheiten handelt und wenn durch die Kontrolle der Surrogatparameter weniger invasive und körperlich belastende diagnostische und therapeutische Behandlungen vermieden werden.

Surrogatparameter werden durch die moderne Evidenz-basierte Medizin (EBM) heftig kritisiert, weil sie oftmals nicht mit dem wirklichen Krankheitsverlauf übereinstimmen und Patienten übertherapiert werden. Den Patienten wird durch Therapien dann mehr Schaden zugefügt, als dass die Therapie ihnen nützt (siehe auch: Evidenz-basierte Medizin (EBM) – Was sind patientenrelevante Endpunkte?).

Da jedoch Schilddrüsenkrebs sehr langsam wächst (Rezidive können auch nach mehreren Jahrzehnten auftreten), wird man auf Surrogatparameter nicht verzichten können.
Die amerikanische Leitlinie ist sich dieses Problems bewusst. Und fordert weitere Forschung in etwa für die Fragestellung: Klinische Bedeutung eines beständig leicht erhöhten Tg-Werts.

Die Bestimmung und Interpretation des Tg-Werts ist jedoch von verschiedenen Faktoren abhängig.

Die TSH-Unterdrückung mit Schilddrüsenhormonen (= TSH-Suppression) in der Nachsorge des Schilddrüsenkrebses führt nicht nur dazu, dass keine Wachstumsanreize an verbliebene Schilddrüsenkrebszellen ausgehen, sondern auch dazu, dass weniger Tg durch eventuell noch vorhandenen Schilddrüsenzellen bzw. Schilddrüsenkrebszellen freigesetzt wird (siehe auch: TSH-Unterdrückung nach Schilddrüsenkrebs).

Werden die Schilddrüsen(krebs)zellen mit TSH stimuliert – entweder durch das Weglassen der Schilddrüsenhormone und Herbeiführen einer Schilddrüsenunterfunktion oder die Gabe zweier Spritzen rhTSH (= rekombinantes humanes Thyreotropin) – so wird von den evtl. noch vorhandenen Schilddrüsen(krebs)zellen mehr Tg produziert und freigesetzt. Dieses Tg lässt sich dann leichter im Blut nachweisen.

Ist der Tg-Wert (stimuliert mit rhTSH) kleiner 0,5ng/ml, so kann man mit eine Wahrscheinlichkeit von 98-99,5% sicher sein, dass man tumorfrei ist (Kloos 2005, Catagna 2008).

Postoperativer Tg-Wert zur Entscheidungsfindung bei low-risk Patienten, ob eine Radioiodtherapie (RIT) notwendig ist

siehe dazu ATA (2015): Postoperativer Tg-Wert, ob RJT indiziert

Es kann mehrere Monate dauern bis der Tg-Wert nach einer RJT unauffällig ist.

Das radioaktive Jod bei einer RJT zeigt seine zerstörerische Wirkung gegen die Schilddrüsen(krebs)zellen noch mehrere Monate nach der Gabe der Kapsel bzw. Spritze. Die europäischen Leitlinien empfehlen eine erste Tg-Bestimmung daher frühestens nach 3 Monaten.

Bei Patienten mit geringem Risiko wird in den amerikanischen Leitlinien gar die
Erfolgskontrolle der ablativen RJT (Entfernung des Restgewebes) erst nach 6 bis 12 Monaten empfohlen. Dies hat den Hintergrund, dass man sonst bei einer zu frühen Kontrolle durch den noch auffälligen Tg-Wert eher dazu geneigt ist, eine zweite ablative RJT durchzuführen, die eigentlich nicht notwendig ist.

Die Erfolgskontrolle erfolgt in der Regel leitliniengerecht durch die Untersuchung des Halses mit Ultraschall und die Bestimmung des Tg-Werts unter rhTSH-Stimulation.

Bei 20% der Schilddrüsenkrebspatienten, die eine ablative Radiojodtherapie hatten und einen Tg-Wert von kleiner 1 ng/ml unter TSH-Unterdrückung haben, steigt jedoch der Tg-Wert unter rhTSH auf einen Wert von größer 2 ng/ml. Bei zwei Dritteln dieser Patienten kann man davon ausgehen, dass es sich lediglich um kleine Reste von Schilddrüsenzellen handelt, die auch bei anderen Diagnose-Verfahren (z.B. RJD) nicht sichtbar sind. Das andere Drittel dieser Patienten entwickelt jedoch mit der Zeit ein Rezidiv. Bei einem Tg-Wert von größer 5 ng/ml empfehlen die amerikanischen Leitlinien eine erneute RJT (ATA-Guidelines DTC 2009, R75).

Nach den Leitlinien gilt bei den gängigen Verfahren (Assay) zur Bestimmung
des Tg-Wertes ein Tg-Wert kleiner 1 ng/ml unter rhTSH-Stimulation als unauffällig. Ungeklärt ist unter den Fachärzten wie oft ein Tg-Wert unter rhTSH-Stimulation kontrolliert werden soll, da auch nach Jahrzehnten Rezidive auftreten können.

Bei Patienten, die ein Mikrokarzinom hatten und keine RJT, ist die Höhe des Tg-Werts nicht aussagefähig, da noch gesundes Schilddrüsenrestgewebe vorhanden ist. Steigt jedoch der Tg-Wert im Verlauf der Nachsorge, so besteht der Verdacht, dass Schilddrüsengewebe nachgewachsen oder der Schilddrüsenkrebs wiedergekommen ist.

Seit ein paar Jahren gibt es auch sensitive und ultra-sensitive Tg-Assays (funktionelle Sensitivität kleiner 0,1ng/ml bzw. kleiner 0,03ng/ml), die auch ohne Stimulation mit rhTSH geringste Mengen an Tg anzeigen können. Mit diesen sensitiven Tg-Assays lassen sich zwar früher Rezidive auch unter TSH-Suppression erkennen, allerdings ist die Rate von falsch positiven Befunden sehr groß. Werden jedoch mehrere Tg-Werte über ein Jahr betrachtet, so lässt sich die Rate falsch positiver Befunde auf 5% reduzieren.

Mehr noch als bei den gängigen Tg-Assays ist beim sensitiven Tg-Assay nicht ein einzelner Wert von Bedeutung, sondern die Dynamik des Anstiegs (siehe Studie: höhere Sensitivität des Tg-Werts (ultrasensitiv)).

Aufgrund der hohen Rate falsch positiver Befunde werden Tg-Assays mit einer funktionellen Sensitivität kleiner 0,1ng/ml von den Leitlinien nicht empfohlen.
Die langen Zeiträume, in denen Patienten im Unklaren bleiben, ob es sich bei einem nachweisbaren Tg-Wert um ein Rezidiv oder um einen falsch positiven Wert handelt, sind für die Patienten auch eine große psychische Belastung.

Aus unserer Sicht als Patienten sollte ein sensitiver Tg-Assay nur nach eingehender Aufklärung und mit Einwilligung des Patienten erfolgen, da ein nachweisbarer Tg-Wert eine erhebliche psychische Belastung sein kann.

Das Problem von beständig leicht erhöhten Tg-Werten ohne klinische Bedeutung gibt es allerdings auch bei den
gängigen Tg-Assays, jedoch betrifft dies nur sehr wenige Patienten.
(siehe: Klinische Bedeutung eines beständig leicht erhöhten Tg-Werts)

Generell sollten wir Patienten uns darüber im Klaren sein, nicht ein einzelner Tg-Wert ist von Bedeutung, sondern ob und wie schnell der Tg-Wert wächst.

Aus diesem Grund ist es auch wichtig, dass die Bestimmung des Tg-Werts
möglichst immer im gleichen Labor
und mit dem gleichen Assay bestimmt wird, da es auch bei den gängigen Assays Unterschiede gibt, die zu Fehlinterpretationen führen können.

All diese Aussagen zum Tg-Wert sind jedoch hinfällig, wenn im Blut Autoantikörper gegen Tg (TAK) vorhanden sind, weil dann der Tg-Wert falsch niedrig sein kann.

siehe FAQ: Thyreoglobulin-Antikörper und Schilddrüsenkrebs-Nachsorge.

Blutuntersuchung bei der Nachsorge

Für die ausreichende Nachsorge des differenzierten Schilddrüsenkrebses ist es neben der Ultraschalluntersuchung des Halses notwendig, die folgenden Blutwerte immer zusammen zu bestimmen:

  1. Tg (möglichst immer im gleichen Labor)
  2. TSH
  3. TAK-Bestimmung mit empfindlichem Direkt-Assay und/oder
    methodisch optimierter Tg-Wiederfindungstest
    („Low-Dose-Recovery“)

Viele Grüße
Harald

Nachsorgeheft – differenzierter Schilddrüsenkrebs.

Spezielle Fragen und Studien zum Thyreoglobulin:

Tg-nach OP

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