Erfahrungsbericht - Der grosse Krankenhausvergleich



Geschrieben von Verena am 06. Dezember 2000 13:35:55:

Hallo Leute,
nachdem ich mich inzwischen ganz gut von den Strapazen (vor allem psychischer Natur) des
zweiten Krankenhausaufenthalts erholt habe, möchte ich Euch mal einen Erfahrungsbericht
geben, weil ich ja nun den direkten Vergleich von 2 Krankenhäusern (bzw. wenn man die OP
mitrechnet 3 KHs) hatte und das ziemlich interessant und auch ganz schön schockierend fand.
Interessant auch unter dem Aspekt, wie viele verschiedene Behandlungsmethoden es eigentlich
für SD-Krebs gibt und welche wohl besser ist (wurde ja auch schon öfters hier im Forum
diskutiert). Also noch mal kurz meine Krankengeschichte. Bei der OP eines kalten Knotens im
Krankenhaus Friedrichshafen wurde bei der histologischen Untersuchung 'überraschenderweise'
ein papilläres CA mit follikulären Anteilen pT2 N0 Mx diagnostiziert. Also 2. OP eine Woche
später mit Entnahme der gesamten SD (Lymphknoten wurden keine entnommen). Insgesamt war ich
im KH Friedrichshafen sehr zufrieden, alle waren sehr nett und, wie sich im Nachhinein
herausgestellt hat, hat der Oberarzt auch sehr gut operiert.
Weil in FN keine RJT gemacht wird, hat man mir 6 Wochen später (im August) einen Termin im
KH Konstanz besorgt, wo ein Nuklearmedizin-Prof. Belegbetten für RJT hat. Dort wurden mir
gleich am Einweisungstag ohne Voruntersuchung 50 Milli-Curie Jod 131 verpasst. Am
übernächsten Tag wurde ein Ganzkörperszinti gemacht, bei dem ein beträchtlicher SD-Rest zu
sehen war (ich habe das Szinti allerdings nicht zu Gesicht bekommen) und ich wurde mit einem
Termin für eine 2. RJT im November nach Hause geschickt. Obwohl ich nur 2 Tage da war, war
Konstanz eine traumatische Erfahrung für mich. Der total überlastete Stationsarzt hatte
einfach null Zeit für mich, beim ersten Gespräch musste er die Zimmertür auflassen und
mindestens 3 mal rauslaufen, weil irgendwas war. Das Zimmer, das Essen und die Behandlung
waren echt mau. Nach dem Szinti hab ich dann eine Audienz beim Professor bekommen, der es
aber auch nicht für nötig befand, sich mehr als 1 Minute Zeit für mich zu nehmen. Ich bin
nicht zu Wort gekommen, konnte keine Fragen stellen und bin total schockiert nach Hause
gegangen.
Weil ich mich nicht gerne schlecht behandeln lasse, habe ich daraufhin beschlossen, meine
Behandlung woanders fortzusetzen. Da ich ursprünglich aus München komme, habe ich einfach
mal im Klinikum rechts der Isar angerufen, wo ich sofort mit einem Arzt verbunden wurde, der
sich lang und breit mit mir unterhalten hat. Ich bin dann im Oktober zu einer
Voruntersuchung in die SD-Ambulanz gegangen und hatte einen sehr guten Eindruck. Der Arzt
hat sich wirklich Zeit genommen, hat alle meine Fragen bezüglich der Erkrankung beantwortet
und mir genau erklärt, wie die Behandlung in München abläuft. Ausserdem hat er mich
gründlich untersucht (Ultraschall und Blut). Schon bei diesem Gespräch habe ich gemerkt,
dass ein gewisses Erstaunen über die Behandlung in KN bei dem Arzt abzulesen war. Ich habe
dann jedenfalls einen Termin für November bekommen für ein Ganzkörperszinti und eventuell
RJT.
Natürlich habe ich dann einen kurzen Absagebrief nach KN geschickt, allerdings ohne Angabe
von Gründen. Zu meiner Überraschung habe ich ein paar Tage nach meiner Absage eine sehr
lange und sehr nette Email von einem Arzt aus KN bekommen (hallo Michael!), der meinen
Beitrag im Forum gelesen hat und gleichzeitig meine Absage auf den Tisch bekommen hat. Er
hat aber im grossen und ganzen nur die Zustände in KN entschuldigt (als ich da war, war er
gerade im Urlaub, es herrschte Personalnotstand etc. etc.). Gleichzeitig hat er nochmal
unterstrichen, wie wichtig es ist, dass ich die Behandlung fortsetze, weil bei mir noch so
viel Restgewebe da ist. Da habe ich mich natürlich vor meinem geistigen Auge schon in der 5.
RJT gesehen, um die umfangreichen SD-Reste zu zerstören (richtig, ich neige oft zu negativem
Denken!).
Ich bin dann also letzten Mittwoch nach München in der festen Überzeugung, dass mir eine 2.,
höherdosierte RJT droht. Ich wurde stationär aufgenommen, wobei alle supernett waren. Gleich
am ersten Tag habe ich mit beiden Stationsärzten gesprochen und auch der Oberarzt hat sich
eine Menge Zeit für mich genommen. Ich hatte allgemein den Eindruck, dass die Ärzte ziemlich
befremdet darüber waren, dass mir in KN ohne Voruntersuchung eine 'beliebige' Menge Jod 131
verpasst worden war. Allerdings habe ich auch mitbekommen, dass es in München üblich ist
beim ersten Mal eine höhere Dosis zu verabreichen. Jedenfalls wurde gleich am ersten Tag in
München ein Ganzkörperszinti gemacht, das am nächsten Tag nochmal wiederholt wurde. Die
Ärzte in München waren erstaunlicherweise keinesfalls so sicher, dass eine zweite RJT
notwendig sein würde. Und siehe da, sie hatten recht. Es war kein Restgewebe mehr zu sehen
(diesmal konnte ich mich auch selbst davon überzeugen) und der hTg war auch in Ordnung, so
dass ich am Freitag als beglückter Mensch nach Hause gehen konnte.
Mein grösstes Fragezeichen war nach dieser Erfahrung eigentlich, ob mir in Konstanz die
zweite Dosis Jod 131 auch ohne Voruntersuchung gegeben worden wäre. Also habe ich gestern
eine Email an den netten Arzt nach Konstanz geschickt mit Erfahrungsbericht aus München und
eben dieser Frage. Und ich habe sogar gleich eine Antwort erhalten. Wäre ich nach KN
gegangen, hätte ich eine Kapsel mit 100 Milli-Curie gekriegt, ebenfalls ohne
Voruntersuchung. Die Begründung für dieses Vorgehen ist, dass sie in KN nicht die
Kapazitäten haben, um die Leute so lange aufzunehmen und so viele Szintis zu machen. Ich
wäre also in etwa mit der dreifachen Menge radioaktiven Jods behandelt worden als ich es
jetzt bin und das völlig grundlos. Sorry, aber das halte ich für moralisch äusserst
bedenklich, vor allem in Hinblick auf die Studie, auf die Harald neulich hingewiesen hat,
nach der vor allem Frauen zwischen 30 und 34 (prima, ich bin 33) ein erhöhtes
Brustkrebsrisiko nach RJT haben. Ich verstehe nicht, wie man so leichtfertig mit
radioaktiven Substanzen umgehen kann. Klar weiss ich, dass das Jod 131 noch relativ harmlos
ist, vor allem im Vergleich zu anderen Methoden der Krebsbehandlung, aber trotzdem regt mich
das ganz schön auf. Ich weiss nicht, wie es Euch damit geht.
Allerdings muss ich zur Ehrenrettung von KN sagen, dass mir vermutlich in München von
vornherein eine höhere Dosis verpasst worden wäre, die Krankenhaus-Springerei war also
sozusagen mein Glück (ausser ich handle mir durch die niedrigdosierte RJT in ein paar Jahren
/ Monaten ein Rezidiv ein - aber das will ich nicht hoffen.). Was ist also das Fazit? Ist
eine gute schonende Krebsbehandlung Glückssache? Es sieht leider fast danach aus. Oder:
'Nichts genaues weiss man nicht'.
Insgesamt hatte ich auf jeden Fall in München ein viel besseres Gefühl. Es wurde einfach
viel gründlicher und sorgfältiger gearbeitet als in KN und das fand ich schonmal
vertrauenerweckend.
Ich hoffe, ich habe Euch nicht total abgeschockt mit diesem megalangen Beitrag, aber ich
dachte es interessiert vielleicht die einen oder andern.
Liebe Grüsse
Verena



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