FAQ: Die häufigsten Schilddrüsen-Erkrankungen


Geschrieben von Beate am 24. Februar 2002 15:13:34:

Die Schilddrüse ist die größte Hormondrüse des Körpers. Sie liegt vorne am Hals unterhalb des Schildknorpels und ist bei Männern und Frauen gleichermaßen ausgebildet und wichtig. Schilddrüsenhormone sind Botenstoffe, die über das Blut im Körper verteilt werden und in allen Organen, bei nahezu allen biologischen Prozessen ihre Wirkung entfalten. Sie steuern und regulieren. Dies gilt bei der Empfängnis, bei der Entwicklung des Kindes im Mutterleib, in der Pubertät und in den sogenannten Wechseljahren. Dies gilt aber auch für die Entwicklung und Leistung des Gehirns, für die Herztätigkeit und für die Kreislaufregulation, für die Darmtätigkeit und für das Wachstum, um nur einige wichtige Beispiele zu nennen. Über- und Unterfunktion der Schilddrüse führen zu charakteristischen Beschwerden.

1. Das Volumen der Schilddrüse beträgt bei Frauen maximal 18 ml, bei Männern maximal 25 ml. Werden diese Volumina überschritten, sprechen wir von einem KROPF. Etwa 40 % der Deutschen sind Kropfträger. Nur wenn das Spurenelement Jod in ausreichender Menge vorhanden ist, kann die Schilddrüse ihre Hormone erzeugen. Bei guter Jodversorgung ist die notwendige Hormonsynthese bei normal großer Schilddrüse kein Problem. Bei schlechter Jodversorgung dagegen kommt die Schilddrüse in eine Notsituation: Der Körper fordert die notwendigen Schilddrüsenhormone an, die Schilddrüse aber leidet an einem Rohstoffmangel. Durch Vergrößerung des Organs kann es über lange Zeit gelingen, den Jodmangel funktionell auszugleichen. Dies aber bedeutet die Ausbildung eines Kropfes (=> Jodmangelstruma). Wenn die Struma keine Knoten enthält, wird sie als diffus bezeichnet: "Struma diffusa". Wenn die Struma Knoten enthält, wird sie als nodös bezeichnet: "Struma uninodosa" bei nur einem Knoten, "Struma multinodosa" bei mehreren Knoten.

2. Der KNOTENKROPF ist in seiner typischen Ausprägung das Ergebnis einer lange andauernden Schilddrüsenerkrankung, an deren Anfang der Jodmangel steht. Zunächst kommt es zu einer Volumenzunahme der Schilddrüse im Sinne der Jodmangelstruma1 . Im weiteren Verlauf können regional schlechter durchblutete Schilddrüsenareale knotig umgewandelt werden, d.h. als Folge von Bindegewebseinsprossungen entstehen abgekapselte Drüsenanteile, die meist kugelig geformt sind. Man erkennt die Knoten bei der ULTRASCHALLAUFNAHME; um zu bestimmen, um welche Art von Knoten es sich handelt, wird eine SZINTIGRAPHIE (Kontrastaufnahme nach der Gabe von leicht radioaktivem Jod, das von den Schilddrüsenzellen aufgenommen wird) durchgeführt.

Viele Knoten haben einen verminderten Hormonstoffwechsel und sind daher im Szintigramm geringer angefärbt (szintigrafisch "KALTE Knoten"). Andere Knoten zeigen aufgrund einer fokalen Autonomie vermehrte Nuklidspeicherung im Szintigramm, sie sind sog. "HEISSE Knoten".

Knoten können zusätzlich verkalkt oder zystisch verändert sein (sekundäre degenerative Gewebsveränderungen). Große Knotenkröpfe können zu einer mechanischen Beeinträchtigung von Nachbarorganen, besonders der Luftröhre (Verlagerung und/oder Einengung) und der Halsvenen (Stauung) führen.

Therapie: Der fortgeschrittene Knotenkropf bedarf der operativen Therapie, wenn
- relevante mechanische Auswirkungen auf die Nachbarorgane eingetreten sind,
- der Kropf trotz einer medikamentösen Therapie weiter wächst,
- kalte Knoten Wachstumstendenz erkennen lassen,
- heiße Knoten oder disseminierte Autonomien nachgewiesen wurden,
- auffällige zytologische Befunde vorliegen.
Ziel der Operation ist
- die mechanische Entlastung der Nachbarorgane,
- die vollständige Entfernung der Knoten,
- nach Möglichkeit die Bewahrung von gesundem Schilddrüsengewebe in normaler Menge (funktionskritische Operation)
Nach der Operation ist die Substitution von Schilddrüsenhormonen notwendig.

3. Die Ausbildung einer Struma ist die eine Art, in der die Schilddrüse auf den Jodmangel reagieren kann. Eine andere Reaktion auf den Jodmangel ist die Ausbildung einer funktionell relevanten SCHILDDRÜSENAUTONOMIE. Dabei vermehren sich die in jeder Schilddrüse vorhandenen autonomen Schilddrüsenzellen bzw. Schilddrüsenfollikel. Diese Vermehrung kann herdförmig (fokal) oder in der gesamten Schilddrüse (disseminiert) geschehen. Autonome Schilddrüsenzellen unterliegen nicht der zentralen Regulation. Ihre Hormonproduktion ist also nicht bedarfsgesteuert, sondern sie erfolgt ungeregelt in Abhängigkeit vom Jodangebot. Wird eine Schilddrüse, in der sich eine funktionell relevante Autonomie ausgebildet hat, einem Jodüberschuß ausgesetzt (z.B. im Rahnen einer Röntgenkontrastmitteluntersuchung), so kann dadurch eine Schilddrüsenüberfunktion ausgelöst werden. Vor einer solchen Untersuchung sollte daher eine relevante Schilddrüsenautonomie ausgeschlossen sein.
Autonome Schilddrüsenzellen können sich nicht in geregelte Schilddrüsenzellen verwandeln. Eine funtionell relevante Schilddrüsenautonomie ist also grundsätzlich nicht rückbildungsfähig. Die Schilddrüsenautonomie bedarf der definitiven Sanierung durch Operation oder Radiojodtherapie. Bis dahin ist Jodkarenz erforderlich. Nach der Operation oder RJT ist i.a. eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonen erforderlich.

4. SCHILDDRÜSEN-ÜBERFUNKTION. "Hyperthyreose" ist keine Diagnose sondern ein Syndrom, dem unterschiedliche Schilddrüsenerkrankungen zugrunde liegen können. Definiert ist die Hyperthyreose durch eine erhöhte Konzentration freier Schilddrüsenhormone *) im Blut. Die klinischen Zeichen der Hyperthyreose können sein: Schwäche, schneller Puls, innere Unruhe, Schlaflosigkeit, Heißhunger, Gewichtsabnahme, Müdigkeit, Wärmeempfindlichkeit, Schweißneigung, Durchfall, Zittern , Vergrößerung der Augen. Ursachen der Hyperthyreose können sein: Morbus Basedow - Autonomie - Entzündungen.

Die Behandlung bei Schilddrüsenüberfunktion ist immer die Behandlung der auslösenden Schilddrüsenkrankheit. Jodkarenz (Vermeidung einer Jodzufuhr von außen) ist notwendig. Wenn im Falle einer Schilddrüsenautonomie oder eines M. Basedow die definitive Sanierung durch Operation oder Radiojodtherapie erforderlich ist, wird man im allgemeinen vor der Operation Medikamente einsetzen, die die Schilddrüsenfunktion bremsen, sog. Thyreostatika, denn das Narkoserisiko ist bei normaler Schilddrüsenfunktion (euthyreoter Stoffwechsellage) geringer als bei Hyperthyreose. Diese haben jedoch gewisse Nebenwirkungen; Patienten unter thyreostatischer Therapie müssen daher sorgfältig ärztlich überwacht werden.

5. SCHILDDRÜSEN-UNTERFUNKTION. "Hypothyreose" ist keine Diagnose sondern ein Syndrom, dem unterschiedliche Schilddrüsenerkrankungen zugrunde liegen können. Definiert ist die Hypothyreose durch eine verminderte Konzentration freier Schilddrüsenhormone im Blut. Die klinischen Zeichen der Hypothyreose können sein: Müdigkeit, langsamer Puls, Antriebsarmut, Depression, trockene Haut, Konzentrationsschwäche, Kälteempfindlichkeit, rauhe Stimme, Verstopfung, Gelenkbeschwerden. Ursachen der Hypothyreose können sein:
Zustand nach Schilddrüsenoperation - Zustand nach Radiojodtherapie - chronische Schilddrüsenentzündungen - extremer Jodmangel.

Die Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion besteht immer im medikamentösen Ersatz der fehlenden Schilddrüsenhormone im Sinne einer Substitutionstherapie. Die Dosierung ist relativ einfach (eventuell Feinabstimmung T3/T4), Ziel der Behandlung ist die euthyreote (normale) Stoffwechsellage. Die Tabletten werden bei richtiger Dosierung normalerweise gut vertragen. Wichtig ist, daß die Aufnahme der Schilddrüsenhormone aus dem Darm in den Körper nur dann in einer vorhersehbaren Weise erfolgt, wenn die Tabletten etwa 30 Minuten vor dem Frühstück eingenommen werden.

6. AUTOIMMUNERKRANKUNGEN der Schilddrüse. Bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen Rezeptoren an den Zellwänden und Antikörpern im Blut. Das Andocken der Antikörper löst das Krankheitsgeschehen aus. Hierbei werden unterschiedliche Antikörper wirksam: Stimulierende Antikörper lösen die Autoimmunhyperthyreose aus, den Morbus Basedow. Zerstörende Antikörper führen zur chronischen Immunthyreoiditis Hashimoto.

a) Morbus BASEDOW. ThyreotropinRezeptorAntiKörper (TRAK) sind stimulierende Antikörper. Sie führen zu einer ungesteuerten Steigerung der Schilddrüsenhormonproduktion und damit zu einer schweren Hyperthyreose. Das Schilddrüsenvolumen ist dabei fast immer vergrößert. In einigen Fällen kommt es zur Ausbildung eines Exophthalmus, d.h. zu einer scheinbaren Vergrößerung der Augen, die aus den Augenhöhlen hervortreten. Der Grund dafür ist eine Vermehrung des Bindegewebes in der Augenhöhle hinter den Augäpfeln. Diese "endokrinen Orbitopathie" ist Ausdruck eines anderen Autoimmunprozesses, ausgelöst durch den ExophthalmusProduzierendenFaktor (EPF).

Therapie: Nach der Diagnose wird ein Jahr lang eine konservative Behandlung mit Thyreostatika bei strenger Jodkarenz durchgeführt (zusätzlich erforderlichenfalls eine Behandlung der endokrinen Orbitopathie beim Augenarzt, durch Nebennierenrindenhormone (Cortison), Cyclosporin A und Zytostatika). Nach einem Jahr erfolgt ein Auslaßversuch. Im günstigsten Fall ist und bleibt die Erkrankung in Remission. Im Falle eines Rezidives oder der Persistenz der Erkrankung ist die definitive Sanierung durch Radiojodtherapie oder Operation erforderlich. Im Anschluß ist die Substitution von Schildrüsenhormonen notwendig.

b) Bei der Autoimmunthyreoiditis HASHIMOTO docken zerstörende Schilddrüsenantikörper an Zellrezeptoren an und führen zum Untergang von Schilddrüsengewebe. Die Erkrankung verläuft schmerzlos und mündet früher oder später in einer Schilddrüsenunterfunktion. Die Symptomatik kann sich so langsam und schleichend entwickeln, daß der Patient und seine Umgebung die sich allmählich einstellenden Veränderungen gar nicht bemerken. Es ist immer wieder zu beobachten, daß Patienten, die einen Morbus Basedow durchgemacht haben, im weiteren Verlauf eine Hashimotothyreoiditis bekommen können, oder auch umgekehrt.

Therapie: Der Autoimmunprozeß kann in keiner Weise beeinflußt werden. Die Therapie der Hashimotothyreoiditis beschränkt sich daher auf die Behandlung der Hypothyreose, d.h. die konsequente Durchführung und Überwachung einer Substitutionstherapie mit Schilddrüsenhormonen. Ziel der Behandlung ist eine normale (euthyreote) Stoffwechsellage. Die Schilddrüsenhormontherapie muß lebenslang erfolgen.

7. Entzündliche Schilddrüsenerkrankungen: akute bakterielle Thyreoiditis (sehr selten), subakute viral induzierte Thyreoiditis de Quervain (im Rahmen von Virusinfekten allgemeiner Art), chronische fibrosierende Thyreoiditis (ebenfalls extrem selten). Therapie: Breitbandantibiotika, Schmerzmittel, Entzündungshemmer, Operation ...

8. Schilddrüsen-TUMORE

a) ADENOME: Schilddrüsenadenome sind gutartige Neubildungen in der Schilddrüse, die in Form von Knoten auftreten. Therapie: AUTONOME Adenome sollten durch Operation oder Radiojodtherapie definitiv saniert werden. KALTE KNOTEN sollten bei nachgewiesener Wachstumstendenz, bei verdächtigen zytologischen Befunden und dann, wenn sie sehr groß sind und zu mechanischer Beeinträchtigung der Nachbarorgane führen, operiert werden. Kalte Knoten, die nicht operiert werden, müssen in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden.

b) KARZINOME (Schilddrüsenkrebs): Schilddrüsenkarzinome sind seltene vorkommende bösartige Neubildungen der Schilddrüse. Sie werden oft bei der operativen Entfernung von kalten Knoten entdeckt (die Wahrscheinlichkeit beträgt etwa 5-10%). Sie sind gut zu behandeln und haben meist eine gute Prognose. Man unterscheidet vier verschiedene Formen:

- FOLLIKULÄR: Das follikuläre und das papilläre Schilddrüsenkarzinom unterscheiden sich in ihrer mikroskopischen Struktur. Beide können zu Tochtergeschwülsten (Metastasen) führen. Beide sind DIFFERENZIERT, d.h. ihre Zellen speichern Jod; nach der OP verbliebene Zellen lassen sich daher gut im Szintigramm erkennen und durch eine Radiojodtherapie zerstören.

- PAPILLÄR: Das papilläre Mikrokarzinom der Schilddrüse ist oft ein Zufallsbefund bei der mikroskopischen Untersuchung von Knotenkröpfen. Dieser Tumor hat eine besonders gute Prognose. Die meisten Schilddrüsenkarzinome sind papilläre Mikrokarzinome.

- UNDIFFERENZIERT (anaplastisch): Undifferenzierte Schilddrüsenkarzinome lassen im Mikroskop keine Drüsenstrukturen mehr erkennen. Ihre Zellen speichern kein Jod. Sie sind sehr viel seltener als die beiden og. Typen.

- C-Zell-Karzinom (MEDULLÄRES Karzinom): sehr selten, kann familiär gehäuft auftreten.

Therapie: Papilläre Mikrokarzinome werden durch operative Entfernung des betroffenen Schilddrüsenlappens geheilt. Papilläre und follikuläre Karzinome und alle anderen bösartigen Schilddrüsentumoren werden durch operative Entfernung der gesamten Schilddrüse und der Lymphknoten im Einzugsbereich des betroffenen Schilddrüsenlappens behandelt. Nach der Operation ist eine Ganzkörperszintigrafie mit Jod erforderlich, die eventuell vorhandene jodspeichernde Tochtergeschwülste aufdeckt. Falls solche vorhanden sind, können sie durch eine Radiojodtherapie entfernt werden. Regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen sind notwendig.
Nach der definitiven Sanierung ist immer eine Schilddrüsenhormonsubstitution erforderlich.

So ... ich hoffe, es ist mir gelungen, die Zusammenhänge einigermassen zu vereinfachen und deutlich zu machen; es handelt sich bei diesem Artikel überwiegend um Ausschnitte/Zusammenfassungen aus der Seite von Dr. H. Proschek, in der weitere Einzelheiten nachgelesen werden können. Weitere Einzelheiten siehe die FAQ-Artikel "Operation", "Radiojodtherapie", "Arten von SD-Karzinomen" und "Links" in diesem Forum (manche sind noch in Arbeit).


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