Buchrezension zur Pharmaindustrie und Marketing
Markus Grill
Kranke Geschäfte
Wie die Pharmaindustrie uns manipuliert.
Reinbeck bei Hamburg August 2007
Dieses Buch ist vor allem ein Abrechnung mit den Marketing-Methoden der Pharmaindustrie.
Wie und wo die Pharmaindustrie auf das Verschreibungsverhalten von Ärzten Einfluss nimmt, zeigt der Stern Journalist Markus Grill in seinem neusten Buch auf. Das Buch basiert auf seinen langjährigen Recherchen und Stern-Artikeln.
Die Methoden der Pharma-Industrie reichen von gesponserten Essen und Reisen, über Studien (so genannte Anwendungsbeobachtungen), die allein zur Steigerung des Umsatzes genutzt werden, über versteckte Werbung in Arzt-Serien bishin zur Einflussnahme der Pharma-Industrie auf die Selbsthilfe-Organisationen. In dem Grill dieses aufzeigt und mit zahlreichen Quellen belegt, macht Grill auf diese versteckten Einflussnahmen aufmerksam und macht einen sensibel für derlei Einflussnahmen und Manipulationen.
Etwas nachteilig, empfand ich, dass Grill das Marketing der Pharma-Industrie gänzlich verurteilt und ein zu einseitiges Bild der Pharmaindustrie zeichnet. Zu kurz in diesem Buch kommt daher leider, dass die anderen Akteure im Gesundheitswesen (Krankenkassen, Ärzte, Kliniken) alle auch ihre eigenen Interessen haben, die nicht immer unbedingt zum Wohle des Patienten sind (siehe Jörg Blech: Heillose Medizin).
Der Gemeinsame Bundesausschuss (g-ba) und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sind keineswegs neutrale Einrichtungen wie von Grill dargestellt.
Im g-ba treten vor allem die Interessen von Krankenkassen, Kliniken und niedergelassenen Ärzten aufeinander, was machmal zu recht eigenwilligen Beschlüssen wie dem zur Akupunktur bei Rücken- und Knieschmerzen führt, obgleich eine Schein-Akupunktur genau so gut ist (siehe g-ba Pressemitteilung vom 18.4.06).
Das IQWiG ist zwar auf eine evidenz-basierte Medizin ausgerichtet, finanziert wird das Institut jedoch über die Krankenkassen, so dass hier durchaus eine hohe finanzielle Abhängigkeit besteht.
Marketing der Pharmaindustrie kann man – nach meinem dafürhalten -nicht gänzlich ablehnen, da sie ein Teil der Interessenauseindersetzung im Gesundheitswesen ist. Es gibt ja auch fortschritliche Medikamente zum Wohle des Patienten, die sich gegenüber hergebrachten Behandlungsmethoden und anderen Wirtschaftsinteressen erst durchsetzen müssen. Wichtig scheint mir jedoch, dass der Einfluss der Pharmaindustrie transparent geschieht und keine Abhängigkeiten bestehen.
Aus diesem Grund hat sich unser Verein von Anfang an verpflichtet, „alle direkten und indirekten (Reisekostenerstattung, etc.) finanziellen Zuwendungen durch Wirtschaftsunternehmen im Vorstandsbericht und im Haushalt zu veröffentlichen“ (siehe unser Online-Haushalt und Vorstandbericht 2006 als PDF).
Ab dem 6.9.2007 nehmen wir keine finanziellen Mittel mehr von Pharma-Firmen entgegen, da wir demnächst von der Deutschen Krebshilfe gefördert werden.
Alles in allem ein Buch, das ich jedenfalls durchaus mit großem Erkenntnisgewinn gelesen habe und gerne weiter empfehle.
Viele Grüße
Harald