FAQ: Sinn und Nutzen einer RJT nach OP (ATA 2009)
- Dieses Thema hat 4 Antworten und 2 Teilnehmer, und wurde zuletzt aktualisiert 17.08.2015 - 20:24 von
Harald.
FAQ: Sinn und Nutzen einer RJT nach OP (ATA 2009)
FAQ: Sinn und Nutzen einer RJT nach OP (ATA 2009)
Achtung:
Es gibt eine neue Leitlinie ATA-Leitlinie differenzierter SD-Krebs 2015: Übersicht….., das entsprechenden Kapitel ist [B36] die Empfehlung R51 und die Tabelle 14.
Hallo,
in Kapitel [B14] der us-amerikanischen ATA-Leitlinie differenzierter Schilddrüsenkrebs (2009) (Übersetzungen und Kommentare) wird die Rolle (Sinn und Nutzen) einer Radiojodtherapie nach einer Schilddrüsenoperation erläutert.
(siehe auchFAQ: Was ist eine Leitlinie? Was ist eine Richtlinie?)
Hier nun meine nicht-autorisierte Übersetzung für Patienten (ohne Gewähr!!), lediglich gekürzt um wenige spezielle (medizinisch-technische) Verfahrensanweisungen, und zusätzlich mit Erklärungen, weiterführenden Links und Anmerkungen aus der Sicht von uns Patienten versehen.
Die Ziele einer Radiojodtherapie sind
- Entfernung von Restgewebe Um die Stadienbestimmung zum Beginn der Erkrankung (=initiale Staging) zu verbessern (siehe ATA: Risikogruppen beim differenzierten Schilddrüsenkrebs) und um das Wiederauftreten des Krebs (=Rezidive) leichter über Radio-Jod-Diagnostik (RJD) und TG-Wert erkennen zu können (siehe FAQ: Thyreoglobulin (TG) und Nachsorge des Schilddrüsenkarzinoms.
- adjuvante Therapie = Therapie, um das Risiko für ein Rezidiv zu verringern und um das Gesamtüberleben zu verbessern, in dem vermutete, aber nicht nachgewiesen Metastasen zerstört werden.
- therapeutische Radiojodtherapie um nachgewiesenen Metastasen zu behandeln.
Zur Frage, ob eine RJT Rezidive verhindert und das Gesamtüberleben verbessert, gibt es zahlreiche retrospektive Studien (=Auswertung von Daten im Nachhinein), die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, jedoch keine randomiserten, prospektiven Studien.
- Anmerkung Harald: Für Patienten mit geringem Risiko (=low-risk) werden in Großbritannien und Frankreich nun (ab 2013) jeweils prospektive Studien durchgeführt:
- Großbritannien: Studie zum Nutzen von RJT bei Low-Risk SD-Krebs
- Frankreich: Ist RJT bei Low-Risk Patienten notwendig? (ESTIMABL2)
Die Autoren haben daher in Tabelle 5 (PDF) wichtige Kriterien für die Entscheidungsfindung zusammengestellt, ob eine ablative (= Entfernung des Restgewebes) Radiojodtherapie (RJT) durchgeführt werden soll oder nicht, die sich vor allem an der TNM-Klassifikation und dem Alter orientiert, und sich an den Fragen abarbeitet:
- Wird durch eine RJT das Überleben verbessert? (=Gesamtüberleben)
- Wird durch eine RJT ein Wiederauftreten des Krebses verhindert ? (=Rezidiv)
- Wird durch eine RJT die Nachsorge verbessert?
Ergänzend zu diesen Hauptkriterien, TNM-Klassifikation und Alter, kommen histopatholgische Eigenschafen hinzu (Tall-Cell, columnäre, insuläre und solide Variante, ebenso wie der wenig differenzierter Schilddrüsenkrebs), Gefäßinvasion des Tumors auch innerhalb dr Schilddrüse, oder „gross or microscopic multifocal“ Tumore.
Die aufgezählten Eigenschaften sind mit einem höheren Risiko für ein Rezidiv assoziiert, jedoch weisen die Autoren der Leitlinie darauf hin, dass es keine klaren Daten gibt, ob bei diesen histologischen Eigenschaften die RJT eine Vorteil zeigt, der unabhängig von der TNM -Klassifikation und dem Alter ist. Aus diesem Grund wird nicht für alle Patienten mit diesen histopathologische Befunden die RJT empfohlen, jedoch ist die Kombination dieser histopathologische Befunden mit den anderen Merkmalen der TNM-Klassifikation und dem Alter (siehe Tabelle 5; PDF) ein Hinweis auf ein größeres Risiko für ein Rezidiv und von Fernmetastasen, so dass die RJT stärker empfohlen wird.
Da jedoch Daten für all diese Faktoren fehlen, solle das klinische Urteil maßgeblich für die Entscheidungsfindung sein.
Für das mikroskopische multifollikuläre papilläre Schilddrüsenkarzinom bei dem alle Knoten kleiner 1 cm seien, hätten jüngste Studien gezeigt, dass die RJT kein Vorteil habe bei dem patientenrelevanten Endpunkt, ob dadurch eine Rezidiv verhindert werde.
- (216) Hay ID, et al., 2008 [in der ATA-Leitlinie 2009; vermutlich falsch]:
Papillary thyroid microcarcinoma: a study of 900 cases observed in a 60-year period.
in: Surgery. 2008 Dec;144(6):980-7; discussion 987-8. doi: 10.1016/j.surg.2008.08.035.
Abstract auf pubMed - (217). Ross DS, et.al., 2009:
Recurrence after treatment of micropapillary thyroid cancer.
in: Thyroid. 2009 Oct;19(10):1043-8. doi: 10.1089/thy.2008.0407.
Abstract auf pubMed
Tumore mit nicht-papillärer Histologie (wie das follikuläre oder das onkozytäres Schilddrüsenkarzinom (oxyphil, Hürthle-Zell) [Links zu den Forums-Gruppen]) werden generell als hoch Risiko Tumore eingeschätzt. Experten empfehlen daher fast immer die RJT in diesen Fällen. Allerdings würden kleine follikuläre Schilddrüsenkarzinome, die zwar eine Kapselinvasion haben aber kein Invasion in die Blutgefäße auch nur mit einer Schilddrüsenoperation eine sehr gute Prognose haben (= minimal-invasives follikuläres Schilddrüsenkarzinom).
Eine RJT sei daher nicht für all diese Patienten erforderlich.
- (112) van Heerden JA, et.al.,1992:
Follicular thyroid carcinoma with capsular invasion alone: a nonthreatening malignancy.
in: Surgery. 1992 Dec;112(6):1130-6; discussion 1136-8.
Abstract auf pubMedAnmerkung Harald:
In der deutschen AWMF-Leitlinie zur Schilddrüsenoperation (maligne) 2012 wird, wenn keine Gefäßinvasion vorliegt eine Komplettierungsoperation bei follikulären Tumoren bis kleiner 4 cm nicht empfohlen.
siehe auch: FAQ: Komplettierungsoperation und Lymphknotendissektion
All diese Überlegungen führen zur Empfehlung (=Recommendation) 32
- (a) Die ablative RJT (=erste RJT zur Entfernung von Restgewebe) wird empfohlen für alle Patienten mit bekannten Fernmetastasen, großer Ausbreitung außerhalb der Schilddrüse (extrathyrodal), und deren Tumor größer als 4 cm war, auch dann wenn keine weiteren Risikofaktoren vorliegen (bezüglich des Grades der Evidenz und der Empfehlung wird auf Tabelle 5 verwiesen).
[Anmerkung Harald: siehe auch FAQ: RJT bei Metastasen (ATA-Leitlinie 2009)) - (b) Die RJT wird für bestimmte Patienten empfohlen, deren Tumore innerhalb der Schilddrüse eine Größe zwischen 1 bis 4 cm hatten,
die nachgewiesen Lymphknotenmetastasen haben oder andere Risikofaktoren (es wird auf den vorangehenden Absätze verwiesen), wenn die Kombination von Alter, Tumorgröße, Lymphknotenmetastasen und individuelle histopathologische Faktoren ein mittleres bis hohes Risiko für das Wiederauftreten des Krebs oder das Risiko am Schilddrüsenkrebs zu sterben prognostizieren lassen (auch hier wird auf Tabelle 5 bezüglich der Evidenz und Empfehlungsgrade verwiesen) Für selektiven Gebrauch der RJT bei Patienten mit höherem Risiko beruht die Empfehlung auf Expertenmeinung (Recommendation C). - (c) Die RJT wird nicht empfohlen für Patienten mit unifokalen papillären Schilddrüsenkarzinom unter 1 cm, wenn keine andere Risikofaktoren vorliegen (siehe vorangehenden Absätze). Diese negative Empfehlung beruht auf Studien geringerer Evidenz; jedoch mehr als nur Expertenmeinung (Recommendation E).
- (d) Die RJT wird nicht empfohlen für Patienten mit multifokalen papillären Schilddrüsenkarzinom, wenn alle Tumore kleiner als 1 cm sind und keine weiteren Risikofaktoren vorliegen (Verweis auf die vorangehenden Absätze). Diese negative Empfehlung beruht auf Studien geringerer Evidenz; jedoch mehr als nur Expertenmeinung (Recommendation E).
Den Link zum englischen Original Text über:
FAQ: ATA-Leitlinie differenzierter Schilddrüsenkrebs 2009: Übersetzungen & Kommentare.
In der ATA-Leitlinie folgt nun das Kapitel [B15]:
FAQ: Vorbereitung zur Radiojodtherapie: Hormonentzug oder rhTSH?.
Das vorangehenden Kaitel ist:
Risikogruppen und Risikoeinschätzung beim differenzierten Schilddrüsenkrebs in der American Thyroid Association (ATA) -Leitlinie 2009.
siehe auch:
- FAQ: Was ist eine Leitlinie? Was ist eine Richtlinie?
- Studien: Niedrig dosierte RJT und rhTSH in der Ablation
- FAQ: Jodarme Ernährung = Vermeidung jodreicher Ernährung.
- FAQ: Thyreoglobulin und Nachsorge des Schilddrüsenkarzinoms.
- FAQ: RJT bei Metastasen (ATA-Leitlinie 2009)
- Forums-Gruppen zur Diagnose
Viele Grüße
Harald
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Antwort auf: FAQ: Sinn und Nutzen einer RJT nach OP (ATA 2009)
Hallo,
also dies ist eine Leitlinie, die auf verschiedenen Studien und Konsensus von Experten beruht.
R1 bedeuted, ja mikroskopischer Residualtumor / Restumor
Sowie ich die ATA-Leitlinie verstehe, würde dies der Fall „Wachstum außerhalb der Schilddrüse“ also RJT empfohlen bedeuten.
Wenn ich es richtig verstehe, konnte der Pathologe nicht sicher sagen, ob der Tumor vollständig entfernt wurde, weil das Präparat des entnommenen Knoten so schlecht war.
Für mein Verständnis Rx (für nicht bekannt).
Eine Leitlinie kann nicht auf alle Fragen eine Antwort geben, sie ist nur eine Oreintierung, in der man in die eine oder andere Richtung abweichen kann.
Viele Grüße
Harald
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Antwort auf: FAQ: Sinn und Nutzen einer RJT nach OP (ATA 2009)
Hallo,
diese Studie: Low-risk Patienten brauchen keine RIT (Hands 2015) bestätigt, dass eine RJT nicht immer notwendig ist.
Viele Grüße
Harald
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Antwort auf: FAQ: Sinn und Nutzen einer RJT nach OP (ATA 2009)
Hallo,
und diese Studie: adjuvante RJT bei intermediate Risk von Vorteil (Ruel 2015) zeigt, dass es für bestimmte Gruppen die RJT gar für das Überleben einen Vorteil hat.
Hoffentlich erscheint bald die überarbeitete Leitlinie, die einem beim einsortieren dieser Studie hilft.
Viele Grüße
Harald
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