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RJT bei Low-Risk Patienten

| Beitrags-ID: 258081

Hallo,

am 30. Januar wurde meine Schilddrüse komplett mit den umliegenden Lymphknoten entfernt. Diagnose: papilläres Schilddrüsenkarzinom vorläufiger pathologischer Bericht T2 R0 (Ich hoffe, dass ich das so richtig wiedergegeben habe, ich bin mit diesen Kürzeln noch nicht so vertraut).

Heute war ich zur Vorbesprechung bei den Nuklearmedizinern und fand es einfach nur schrecklich. Ich habe große Angst vor den Risiken der RJT, obwohl ich vorausichtlich nur ein Mal dran bin und dann auch nur mit einer niedrigen Dosis. Ich habe Angst vor einem Zweitkrebs und vor allem vor Leukämie. Ich hoffe sehr, dass ich mit der Zeit besser klarkomme. Im Moment habe ich nachts richtige Panikattacken.

Nun meine Frage an: So wie ich es verstanden habe, wird in meinem Fall immer noch eine RJT nach der OP empfohlen, es könnte aber sein, dass sich dies auf Grund neuerer Erkenntnisse ändert. Ist das richtig so? Ich hab zwar den langen Beitrag von Harald (ich glaube er war es) gelesen, aber es ist so viel Information, die da zu verarbeiten ist. Ich überlege halt, wenn sich die Leitlinien bald ändern würden, ob ich da nicht noch etwas zuwarten könnte. Ich weiß auch nicht. Ich freu mich einfach über jedes nette Wort von euch ….

Gruß Merle

Antwort auf: RJT bei Low-Risk Patienten

| Beitrags-ID: 381160

Hallo Merle,
Du schreibst, Du freust Dich über jedes Wort. So versuch ich es mal: geh an die ganze Sache doch erst mal ’step by step‘
ran. Die kommende RJT ist wichtig! Die Dosis soll ja wohl nicht allzu hoch sein,
schreibst Du. Bitte, sei froh, dass Dein Körper Radiojod speichert! Da war ich meinem Körper auch sehr dankbar, dass er speicherte. Auch mir wurde gesagt, ’ne 2. RJT-Therapie sei nötig. War dann aber nicht so. Wir haben nun mal diese Krankheit, und die wird eben mit OP und RJT behandelt. Meine Geschichte ist nun ein 3/4 Jahr her. Gewisse Risiken sind mir durchaus bewusst und es geht mir auch nicht immer gut, dennoch hat mir eine positive Einstellung (kann man lernen)stets geholfen.
Ich hab auch gelesen, dass Du Dich noch mit einem anderen Problem rumschlägst.
Vielleicht macht es Dir Mut, dass hier im Forum auch etlich Andere Zweitprobleme haben.
UND: Du wirst ja nicht eingestellt sein! Das beeinflusst sehr viel.
Ich bin in gewollt starker Überfunktion und habe auch immer wieder Panikattacken. Ich sage mir stets: das bin ich nicht, das ist die ÜF. Und so wird Dein momentaler Zustand nicht Dein sonstiges Wesen sein.
Versuche mit schönen Dingen, die Dir Freude machen, Dich abzulenken oder Dich
zu belohnen.
Also anschließend: so wie Du Deinen Fall schilderst, könnte eine RJT ausreichen und den Gedanken an Zweitkrebs schieben Wir weg.
Alles Gute und liebe Grüße
Susanna-Maria

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Antwort auf: RJT bei Low-Risk Patienten

| Beitrags-ID: 381161

Hallo Merle,

ja es ist richtig, in der amerikanischen Leitlinie von 2015 wird bei low-risk Patient*innen T2 N0 nicht mehr generell eine Radioiodtherapie empfohlen, weil der zusätzliche Nutzen als sehr gering eingestuft wird.
ATA: Risikogruppen beim differenzierten Schilddrüsenkrebs (2015)

(Von den europäischen Nuklearmediziner*innen gibt es hier einen Widerspruch EANM kritisiert ATA-Leitlinie 2015 zum dif. SD-Krebs)

Auf der anderen Seite muss man allerdings auch einräumen, eine RIT ist zwar keine harmlose Therapie, aber die gesteigerten Risiken, insbesondere für einen Zweitkrebs sind nur relativ hoch, absolut sind sie immer noch so gering, dass uns Schilddrüsenkrebspatient*innen mit einer RIT keine spezielle Früherkennung empfohlen wird, wie ganz normal gesunden Menschen.
(siehe : Zweitkrebs: Leukämie, Brust- und andere Krebserkrankungen)

Zur Frage ob eine RIT bei low-risk Patient*innen wie dir indiziert ist, gibt es die Möglichkeit den postoperativen Tg-Wert als Entscheidungshilfe heran zu ziehen:
ATA (2015): Postoperativer Tg-Wert, ob RJT indiziert

Dann wollte ich dich noch auf unser Merkblatt: Arzt-Patienten-Gespräch hinweisen.

Hoffe dies nicht allzu viele Informationen.
Ansonsten einfach nochmal genauer hier nachfragen.

Wir werden dir allerdings keine konkrete Empfehlung geben können, sondern nur Hinweise, wie du besser bei den Ärzt*innen nachfragen kannst, und wie du mit diesen gemeinsam zu einer Entscheidung für oder gegen die RIT kommen kannst.

Viele Grüße
Harald

1 Nutzer*in hat sich für diesen Beitrag bedankt.

Antwort auf: RJT bei Low-Risk Patienten

| Beitrags-ID: 381162

Hallo liebe Merle,

und herzlich willkommen hier bei uns im Forum :)

Darf ich vielleicht gerade heraus fragen wie alt du bist? Ich erhielt meine RIT im Alter von 28 Jahren. Auch ich war low-risk Patientin aber damals vor fast 5 Jahren war die Leitlinie noch anders.
Im Nachhinein fühle ich mich ein wenig übertherapiert und da ich als Frau im gebärfähigen Alter mit der Kinderplanung noch nicht fertig war, denke ich hätten die Ärzte*innen differenzierter abwägen können. Denn auch Keimzellen können Schaden nehmen.
Wie Harald schon schreibt, sind Spätfolgen jedoch extrem unwahrscheinlich. Ich denke aber, dass du da auf dein Gefühl hören und dies mit den Ärzten*innen so besprechen solltest.

Herzliche Grüße,

Heidi

Antwort auf: RJT bei Low-Risk Patienten

| Beitrags-ID: 381163

Vielen lieben Dank für eure Antworten!

Es geht heute schon etwas besser, auf den Gedanken, dass meine Panikattacken mit der Unterfunktion zu tun haben könnten, bin ich noch gar nicht gekommen. Obwohl das ja so nahe liegend ist. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Vielen Dank also für den Hinweis!

Vielen Dank auch für den Hinweis mit dem TG Wert. Hier in der Klinik hab ich auch den Eindruck, dass sie relativ stur eine Linie fahren. Das hat auch schon meine Anfrage nach dem Thyrogen gezeigt. Wahrscheinlich werde ich mir doch nochmal eine Zweitmeinung einholen. Obwohl mir mit der zunehmenden Unterfunktion so langsam die Energie abhanden kommt. Außerdem wäre mein Termin ja dann schon nächste Woche….

Und ja, ich werde auf mein Gefühl hören und morgen in mich gehen. Wenn ich so darüber nachdenke liegt es vielleicht auch am mangelnden Vertrauen in die Ärzte, da ich mir total überfahren vorkam und Hinweise oder Fragen nur sehr knapp angenommen oder beantwortet wurden. Das sind halt nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für eine ruhige Gemütslage.

Danke auch an Mrs Watson für den Hinweis mit den Keimzellen. Die Kinderplanung beschäftigt mich zwar nicht mehr so akut. Aber wenn ich etwas jünger wäre, würde ich mir das Ganze unter diesem Gesichtspunkt sicherlich noch drei Mal so gut überlegen. Ich denke die Ärzte wollen halt einfach nix versäumen und kloppen dann halt mal drauf.

Gut ist jedenfalls, dass ich mich hier mit euch austauschen kann. Es ist ja auch voll schwierig mit Leuten darüber zu sprechen, die nicht in der Materie sind. Bzw. das geht eigentlich gar nicht.

Antwort auf: RJT bei Low-Risk Patienten

| Beitrags-ID: 381164

Jetzt melde ich mich nochmal zurück.

Und nun weiß ich auch, warum ich so ein ungutes Gefühl hatte bzw. habe.
Nachdem ich nochmals den Beitrag über die Bestimmung des Tg-Wertes nach der OP gelesen habe, habe ich jetzt realisiert, dass dies ja tatsächlich eine Möglichkeit wäre, ohne die RJT auszukommen. Nach den ATA Leitlinien hilft die RJT bei meiner Tumorklassifikation ja nur bei der Nachsorge. Nur hat mir das bisher kein Nuklearmediziner und auch der Chirurg so nie gesagt. Warum werden diese Informationen denn nicht an mich als Patient weitergegeben, so dass ich mich entscheiden kann. Hätte ich das hier nicht zufällig gelesen, wüsste ich davon gar nichts.
Weiß jemand, warum diese neuen Leitlinien so wenig kommuniziert werden? Es scheint ja auch andere zu geben, bei denen wenig überlegt wurde.

Jetzt muss ich eben einen guten Arzt finden, der auch bereit ist mit mir über diese Alternative zu sprechen. Das wird wahrscheinlich nicht einfach. Und dann hab ich ja immer noch die Unterfuktion im Nacken sitzen. Nur so wie ich es jetzt denke, kann ich mir mit der Entscheidung ja auch etwas Zeit lassen und muss nichts überstürzen. Und wenn es dann sein muss, dann mach ich es auch, aber mit einem ganz anderen Gefühl.

Harald, deine Erklärungen sind jedenfalls Gold wert! Danke dafür!

Antwort auf: RJT bei Low-Risk Patienten

| Beitrags-ID: 381165

Hallo Merle,

zum Hintergrund. Die ATA-Leitlinie ist eine Empfehlung der amerikanische Schilddrüsenorganisation.

Wie jede Leitlinie ist sie nicht verbindlich.
Wäre sie eine deutsche S3-Leitlinie, dann wäre es ein Aufklärungsfehler der Ärzt*innen.
Eine deusche S3-Leitlinie gibt es leider nicht, nur eine S1-Leitlinie (Handlungsempfehlung) der Nuklearmediziner zur Radioiodtherapie
DGN: Handlungsempfehlung zur RIT beim differenzierten SD-Krebs (2015)
FAQ: Was ist eine Leitlinie? Was ist eine Richtlinie?.

Eine Bitte hätte ich noch:

Die Kliniken für Nuklearmedizin müssen eine Radioiodtherapie etwas länger im Voraus (genau weiß ich es nicht; ca. 1 Woche) planen, eine kurzfristige Absage produziert unnötigen radioaktiven Müll (und Kosten).
Bitte nimm rechtzeitig mit der Klinik Kontakt auf, wenn du eine Absage überlegst.

Viele Grüße
Harald