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Butterflysaviour
Gast

RJT ablehnen???

| Beitrags-ID: 401369

Hallo ihr lieben!

Ich habe 2 SD-OPs hinter mir und stehe nun kurz vor der RJT. Laut Fachärzten (Endo, NUK, Krankenhaus) ist das einfach der „normale“ Weg, daran führt kein Weg vorbei. „Das macht man einfach so seit Jahren“. Bin total unschlüssig ob ich die RJT machen soll, oder ob ich auf mein Inneres hören soll, dass mir sagt, dass ich das jetzt nicht brauche und nicht will!!! Sprich ich würde einfach abwarten, mit dem Wissen, dass ich dann keinen  aussagekräftigen Tg-Wert zur Tumornachsorge habe. „Nur“ um auf Nr. sicher zu gehen und „weil man das halt so macht“, möchte ich meinem Körper diese Therapie nicht antun. Meine Frage wäre jetzt: Gibts hier jemanden, der diese Therapie abgelehnt hat, obwohl sie von den Ärtzen lt Leitinien empfohlen wird? wie ist es da weitergegangen? Habt ihr einen Arzt gefunden, der euch dann dennoch gut nachbetreut hat, ohne Vorwürfe??

was vielleicht auch noch von Bedeutung ist: Es handelte sich bei mir um KEIN Mikrokarzinom, und leider waren auch 2 Lymphknoten befallen.

Wäre über Meinungen und Berichte sehr sehr dankbar!!!

Liebe Grüße!!

Antwort auf: RJT ablehnen???

| Beitrags-ID: 401412

Hallo Butterflysaviour,

willkommen bei uns im Selbsthilfe-Forum!

Hoffe dich erreicht diese Antwort, und geht nicht verloren. Als registrierte Nutzer*in des Forums (kostenfrei), wirst du automatisch über eine Antwort benachrichtigt.

Ich kann deine Zweifel bezüglich der Radioiodtherapie sehr gut nach voll ziehen, auch eine erste Radioiodtherapie kann zur Mundtrockenheit, Geschmacksttörungen führen und auch, wenn auch nur zu einem sehr geringen Prozentsatz, zu einem Zweitkrebs.

Die Begründung, dass dadurch die Nachsorge besser ist, wäre mir auch zu schwach. Auch ist es nicht unbedingt so, dass immer ein exzellentes Ansprechen der Radioiodtherapie stattfindet. Oftmals gibt es auch nur ein „gutes Ansprechen„: (Unbestimmbares Ansprechen (indeterminate response) , was meist eher zu Verunsicherung führt.Wobei sich am Risiko an diesem Krebs zu sterben nichts ändert, allerdings geht man davon aus, dass in dieser Gruppe ein höherer Rezidivrisiko herrscht, Statt 1-4 % Risiko beim exzellenten Ansprechen, sind es in dieser Gruppe 15%-20%, bei denen in einem Zeitraum von 5 bis 10 Jahren ein Tumor in der Nachsorge gefunden wird.

Wichtiger scheint mir daher auch die Frage, welchen Zusatznutzen hat eine Radioiodtherapie zum jetzigen Zeitpunkt?

Dieser ist nicht so eindeutig, siehe Forenthema: Kontroversen und Konsensus über den Einsatz der RIT

Aus den Martniniqu Prinzipien sind vor allem die Prinzipien 4 und 5 für Deine Frage von Relevanz:

4. Der post-operative Krankheitsstatuts Bewertung muss standardisiert und integraler Bestandteil der klinischen Routinenachsorge werden.

5. Die optimale Zuweisung von Patient*innen für eine adjuvante Radioiodtherapie erfordert die Betrachtung und Bewertung vieler Faktoren über den post-operativen Krankheitsstatus und die Einteilung in Risikogruppen hinaus.

Es gibt da leider noch kein standardisierte Bewertung, aber folgende Aspekte können für oder gegen eine Radioiodtherapie (RIT bzw. RJT) sprechen:

  1.  Gibt es Antikörper gegen Thyreoglobuline (TAK). Wenn ja, dann spricht einiges für eine RIT, weil die Nachsorge dann noch mehr erschwert ist. Und man den Tg-Wert überhaupt nicht benutzen kann, siehe auch nächsten Punkt:
  2. Forenthema: ATA (2015): Postoperativer Tg-Wert, ob RJT indiziert; schon vor Jahren, vor dieser amerikanischen Empfehlung, war z.B. bei @Alba nach der Operation kein Schilddrüsengewebe mehr sichtbar, so dass man auf die RIT verzichtet hat.
  3. War es das klassische papilläre Schilddrüsenkarzinom, oder eine aggresivere Sub-Variante:  siehe Beschreibung der Forums-Gruppe: Papilläres Schilddrüsenkarzinom
  4. Wie viele Lymphknoten hat der Chirurg entnommen? Wenn es nur 2 waren, und 2 davon befallen, so kann man davon ausgehen, dass da sicherlich noch mehr Lymphknotenmetastasen sind. Im Operationsbericht sollt dies stehen.
  5. …..

Es gibt sicherlich noch weitere Faktoren, wie gesagt es gibt noch keinen gemeinsamen Standard. Nach der amerikanischen Leitlinie gehörst Du mit den zwei Lymphknoten-Metastasen (es sei den dies waren Mikormetastasen nicht gößer als 2mm) zur Gruppe Intermediate-risk (intermediäres, mittleres Risiko für ein Rezidiv); siehe Forenthema: ATA: Risikogruppen beim differenzierten Schilddrüsenkrebs

Auch die amerikanische Leitlinie favorisiert hier auch eher die Radioiodtherapie, auch wenn sie im Vergleich zu Deutschland die Radioiodtherapie zurückhaltender empfehlen.

Hier noch der Hinweis zum Forenthema: Merkblatt: Arzt-Patienten-Gespräch, damit du gemeinsam mit den Ärzt*innen zu einer Entscheidung kommst, die von Dir und von Ärzt*innen getragen wird.

Habe vor über 20 Jahren, mich nach zwei Radioiodtherpaien gegen eine Radioiodiagnostik entschieden, weil mir der Sinn nicht einleuchtete. Habe diese Entscheidung damals gemeinsam mit meinem Endokrinologen getroffen.

Viele Grüße,

Harald

Butterflysaviour
Gast

Antwort auf: RJT ablehnen???

| Beitrags-ID: 401429

Lieber Harald!

Vielen lieben Dank für deine ausführliche, übersichtliche und auch schnelle Antwort!!

Wünschte die Entscheidung wär einfacher, aber das ist halt grad schwierig und ich denk keiner kann wissen was wirklich richtig ist. Die Leitlinien und Studien hab ich schon (so guts in einem schockzustand eben geht) durchforstet, dennoch hast du mich auf neue Entscheidungspunkte gebracht, danke!

Vielen vielen Dank dir!!

Schönes Wochenende und alles Gute auch dir!!

Beste Grüße!

Nadjeschda
Nutzer*In
Pap. SD-Ca pT2 (foll.Variante)

Antwort auf: RJT ablehnen???

| Beitrags-ID: 401846

Liebe Butterflysaviour,

ich bin leider nicht oft im Forum und hoffe, dass meine Antwort Dir ev. noch helfen kann. Ich habe damals die RJT abgelehnt. Am besten, ich erzähl Dir einfach wie das war… und vielleicht kannst Du ja für Dich was mitnehmen.

Ich hatte ein papilläres SD-Karzinom, knapp an der Grenze zu T3, aber keine befallenen Lymphknoten. Bin quasi noch im Krankenhaus von meinem Chirurgen schon zur RJT eingeteilt worden (hab auch gesagt bekommen Standardprozedur). Dadurch dass bis dahin noch Zeit war, kam ich auch ins Grübeln. Ich hab schon von Natur aus Speicheldrüsen, die nicht einwandfrei funktionieren und dann noch eine RJT mit dem Risiko, dass die Dinger dann vielleicht komplett den Geist aufgeben??

Ich hab mir dann einen Termin bei meinem NUK ausgemacht und die Sache eingehend mit ihm besprochen. Er meinte damals, dass sich bei mir Kosten/Nutzen die Waage halten und dass es immer auch um Lebensqualität geht. Wenn die Speicheldrüsen nicht mehr funktionieren, wäre das eine ziemliche Einschränkung.

Also hab ich die RJT abgelehnt – mit voller Unterstützung von meinem NUK. Ich hab damals selber auf der RJT-Station angerufen um abzusagen und dort hat man mir dann gesagt, gerade in meinem Fall würden sie aber eine RJT empfehlen. Keine Ahnung warum – wahrscheinlich Leitlinie.

Ich hab sie trotzdem nicht gemacht, weil ich einen guten NUK habe und seiner Erfahrung vertraue. Mittlerweile sind 4 Jahre vergangen ohne Probleme. Ich denke, für mich war es die richtige Entscheidung.

Wie die Situation bei befallenen Lymphknoten aussieht, weiß ich leider nicht. Da könnte ich mir schon vorstellen, dass der Nutzen auf Seiten der RJT liegt.

Mein Rat wäre, suche Dir einen wirklich guten Nuklearmediziner, dem Du vertraust und besprich das Thema mit ihm (Du kommst nicht zufälligerweise aus Wien? Dann könnte ich Dir meinen empfehlen 😉 ). Und entscheide dann in aller Ruhe – lass Dich nicht drängen.

Ich wünsche Dir alles Gute und dass Du eine Entscheidung für Dich findest, die sich richtig anfühlt :).

Liebe Grüße, Barbara

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No one else, no one else
Can speak the words on your lips...

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