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Antwort auf: Recurrensparese (Stimmbandlähmung) – guter Ärzte-Artikel

| Beitrags-ID: 293200

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin gerade per Zufall auf dieses Diskussionsforum gestoßen und habe die Erwähnung meines Artikels aus der „Pneumologie“ zur ein- und beidseitigen Recurrensparese gefunden. Zu dem Problem der Luftnot bei einseitiger Recurrensparese möchte ich gerne ein paar Anmerkungen machen, die vielleicht von Interesse sein können.
Die Behauptung, dass eine Luftnot nur bei beidseitiger Lähmung auftreten könne, ist in dieser Form in der Tat nicht richtig. Auch bei einseitiger Lähmung wird oft Luftnot beklagt, hier muss man zwei verschiedene Ursachen unterscheiden: Weitaus am häufigsten besteht eine „phonatorische Dyspnoe“. Mit diesem Fachbegriff wird beschrieben, dass insbesondere bei längerem Sprechen sowie bei körperlicher Belastung die Luft knapp wird. Der Grund liegt darin, dass durch den nicht vollständigen Schluß der Stimmbänder ständig Luft entweicht und man daher also mit dem Atemvorrat der Lunge nicht so effektiv umgehen kann. Der Betroffene kann mit „einmal Luftholen“ nur viel kürzer sprechen als ein Gesunder, muss daher häufiger einatmen und empfindet dies als Luftnot. Auch wenn es zunächst widersprüchlich klingt bringt ein kehlkopfverengernder Eingriff Hilfe, wie er ja mit dem primären Ziel der Stimmverbesserung bekannt ist (entweder durch eine Injektion in das Stimmband zur Verdickung des gelähmten Stimmbandes oder durch das Einsetzen einer Titanprothese von außen, um das gelähmte Stimmband der gesunden Seite anzunähern). Praktisch alle Patienten empfinden nach einem solchen Eingriff auch eine Verbesserung der Atmung. Der Atemweg ist zwar eigentlich enger geworden, aber viel entscheidender ist die nun wieder effiziente und ökonomischere Atemmechanik.
Nun zur zweiten möglichen Ursache: Die Reserve des Atemquerschnitts ist sehr hoch, das heisst, man kann den Atemweg ziemlich stark verengen, ohne dass es zu Problemem kommt. Es gibt sehr gute und ausführliche Untersuchungen die deutlich zeigen, dass eine Verengung um bis zu 50% von den Betroffenen nicht bemerkt wird. Deswegen geht man als Grundregel davon aus, dass eine einseitige Stimmbandlähmung nicht mit Atemnot einhergeht. Die oben erläuterte „phonatorische Dyspnoe“ ist keine echte Verengung (Stenose) sondern primär ein Problem der Atemmechanik. Nun gibt es aber auch (viel seltenere) Fälle, in denen sicher keine „phonatorische Dyspnoe“ besteht und somit eine andere Ursache vorliegen muß. Bei diesen Patienten handelt es sich in der Regel um eine Lähmung, die sich teilweise erhohlt hat, typischerweise ist die Stimme gar nicht so schlecht. Durch die überschießende Erholung der Nervenfasern ist die Muskulatur der Stimmlippe nun aber sehr straff, das Stimmband steht in der Mittelinie oder sogar etwas auf der Gegenseite und wirkt nun wie ein Spoiler oder Wellenbrecher. In vielen Fällen genügt es, einige Einheiten Botulinum-Toxin (Botox) zu injizieren. Dies bewirkt eine Schwächung der Muskulatur wie eine Art Weichmacher, häufig gelingt es dadurch, die Atmung deutlich zu verbessern, ohne die Stimmfunktion zu beeinträchtigen. Einen Versuch ist es allemal Wert, denn die Wirkung ist auf 3-8 Monate begrenzt, man kann also nichts „kaputtmachen“. Im Erfolgsfall kann entweder die Botox-Injektion wiederholt werden oder man kann mit einem endoskopischen operativen Eingriff eine dauerhafte Lösung erreichen.

Das Problem „Luftnot bei einseitiger Stimmbandlähmung“ ist in der Tat schwierig und erscheint zunächst paradox. Nach meiner Erfahrung kann man jedoch in den allermeisten Fällen Abhilfe schaffen. Voraussetzung ist allerdings eine individuelle Diagnose durche einen spezialisierten HNO-Arzt, dem diese Zusammenhänge bewusst sind und der Erfahrung mit den entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten hat. Dies ist allerdings flächendeckend nicht unbedingt gegeben, um es einmal vorsichtig auszudrücken.

Abschließend möchte ich Ihnen zu dieser Selbsthilfegruppe gratulieren, nach meiner Erfahrung ist der Kenntnisstand über die moderenen Behandlungsmöglichkeiten der ein- und beidseitigen Recurrensparese bei den behandelnden Ärzten aller Fachrichtungen noch suboptimal, ein Austausch zwischen betroffenen Patienten ist daher sicher sehr wertvoll. Für weitere Fragen stehe ich ggf. gerne zur Verfügung.

Leider ist der Beitrag jetzt doch recht lang geworden, aber schwierige Themen lassen sich leider nicht immer ganz kurz beleuchten…

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