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Antwort auf: Studie: Tyrosinkinaseinhibitor Sorafenib (Bröcker-Preuss 07)

| Beitrags-ID: 295564

Hallo,

der weltgrößte Krebsforscherkongress ASCO (American Society of Oncology) ist für die Pharmaindustrie ein wichtiger Kongress, um der Öffentlichkeit (und den Aktienmärkten) neue Forschungsergebnisse vorzustellen.

Bayer hat nun die Ergebnisse mehrerer Phase-II-Studien zum Tyrosinkinaseinhibitor Sorafenib (Nexavar ®) vorgestellt.

Die Aktienhändler (und deren medizinischen Experten) entscheiden dann darüber, ob diese Studien-Ergebnisse es rechtfertigen, ob die Kurse einer Pharmafirma fallen oder steigen, ob weiter Gelder in die weitere Erforschung eines Krebsmedikaments fließen.

Die ersten Nachrichten hierzu erscheinen in Deutschland dann auch nicht in medizinischen Fachzeitschriften (die brauchen etwas mehr Zeit), sondern in den Nachrichtentickern der Wirtschaftszeitungen.

Die Artikel in den Wirtschaftszeitungen beziehen sich fast ausschließlich auf eine Pressemeldung des Bayer-Konzern vom 2. Juni 2008: Neue Phase-II-Daten zu Nexavar® zeigen Anwendungspotenzial bei weiteren Krebsarten

Diese Pressemeldung ist natürlich für die Aktienmärkte geschrieben, weil der Konzern davon abhängig ist, wie diese Nachricht dort aufgenommen wird.

Schwerpunkt in der Pressemeldung ist, dass Sorafenib bei veschiedenen Krebsarten eingesetzt wird. Neu Ergebnisse liegen vor zu:

  • nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (Non-Small Cell Lung Cancer = NSCLC)
  • Schilddrüsenkrebs
  • Magenkrebs
  • Eierstockkrebs

Lediglich die Studie zum nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) ist eine randomisierte mit einer Kontrollgruppe (zwei-armig). Beim NSCLC musste Bayer im Februar 2008 eine Phase-III-Studie abbrechen (siehe http://sd-krebs.de/phpBB2/viewtopic.php?p=55887#55887 weiter oben).
Auf der ASCO Konferenz wurde aber nun eine weitere Phase-II-Studie beim NSCLC nun mit positiven Ergebnis vorgestellt, allerdings mit einem anderen Therapie-Regime: Sorafenib wird nach einer Initialbehandlung über den vollen Behandlungszeitraum weiter gegeben.

Zur Behandlung des fortgeschrittenen Schilddrüsenkrebs, der kein Jod mehr speichert, heißt es in der Pressemeldung, dass Sorafenib „in der Mehrzahl der Fälle zu einer bedeutenden Anti-Tumor-Aktivität führte“, was für die Patenten eine Stabilisierung der Krankheit als auch “ teilweisen Ansprechens auf die Behandlung“ zeigte.

An häufigen Nebenwirkungen werde genannt: Müdigkeit, Hautausschlag, Durchfall, Hand-Fuß-Hautreaktionen, Schmerzen der Skelettmuskulatur sowie Gewichtsabnahme.

Sorafenib wirkt sowohl auf die Krebszellen als auch auf das Gefäßsystem des Tumors. Sorafenib beeinflusst nach präklinischen Modellen zwei Kinase-Klassen, die am Zellwachstum und an der Angiogenese (Blutversorgung) mitwirken. Zu diesen Kinasen gehören die Raf-Kinase, VEGFR-1, VEGFR-2, VEGFR-3, PDGFR-B, KIT, FLT-3 und RET.

Etwas mehr Informationen bekommt man über das Abstrakt (Nr.6026) zum ASCO-Kongress: http://www.abstract.asco.org/
Dr. Marcia S. Brose et.al., University of Pennsylvania
A phase II study of sorafenib in metastatic thyroid carcinoma
Journal of Clinical Oncology 26: 2008 (May 20 suppl; abstr 6026)

Das Abstrakt selbst liest sich dann etwas nüchterner, weil für Mediziner geschrieben.
Die Studie ist immer noch am laufen und nimmt Patienten auf.

(siehe auch clinicaltrials.gov NCT00654238)

In der Studie umfasst derzeit 36 Patienten, mit sehr unterschiedlichen Schilddrüsenkrebsarten:

Die Studie ist einarmig, d.h. es gab keine Kontrollgruppe (vergleich zur Standardtherapie oder Placebo).
Bei solchen Studie muss man immer etwas vorsichtig sein, weil die Ärzte ganz natürlich mit ihren Patienten hoffen, dass ihre Therapie Erfolge zeigt. Ergebnisse werden dann leicht überbewertet.

Die Patienten wurden mit einer Dosis von zweimal täglich 400 mg Sorafenib (oral) behandelt.

Bewertet wurde nach den RECIST-Kriterien (ein medizinisch anerkanntes Verfahren zum Vergleich des Ansprechens von Therapien). Kontrolliert wurde mit PET und CT (sowie der TG-Wert).

Die mittlere Behandlungszeit beträgt insgesamt gerade mal 19,5 Wochen.

Bei 7 Patienten (21%) wurde eine Teilremission erreicht. Diese Teilremission hielt über eine Zeit von 23-82 Wochen an und dauert weiter an.
Bei weiteren 20 Patienten (59%) wurde eine Stabilität erreicht, das heißt der Krebs hat sich nicht weiter entwickelt. Hier betragen die Zeiten 13 bis 88 Wochen und andauernd.

Die Ärzte kommen daher zu einer Schlussfolgerung, dass bei 80% der Patienten Sorafenib einen Nutzen zeigt.

Bei 9 Patienten hat sich der Krebs weiterentwickelt, hier beträgt der mittlere Behandlungszeitraum 58 Wochen.

Die oben angeführten Nebenwirkungen werden von den Ärzten als insgesamt moderat beurteilt. Sorafenib bescheinigen sie, dass es gut vertragen wird.

Die Gewebeanalysen bezüglich der BRAF-Mutation sind noch nicht fertig, aber kurz vor dem Abschluss.

(Bröcker-Preuß konnte hier im Labor zeigen, dass Sorafenib unabhängig vom vorliegen einer BRAF-Mutation das Wachstum der Schilddrüsenkrebszellen verhindert und auch zu einem Zelltod im Reagenzglas führt, siehe oben erster http://sd-krebs.de/phpBB2/viewtopic.php?p=42467#42467 )

Meine Einschätzung/Kommentar: (nur zur Studie des Schilddrüenkrebs)

Es handelt sich also nicht nur von den Schilddrüsenkrebsarten um eine sehr heterogene Gruppe, sondern auch bezüglich der Behandlungsdauer um eine sehr heterogene Gruppe. Die meisten Patienten mit einer Stabilität, sind noch relativ kurz in der Studie.

Die Ergebnisse sind noch mit großer Vorsicht zu genießen, die anderen Tyrosinkinaseinhibitoren sollten daher genauso weiter im Auge behalten werden.
(siehe Was sind Tyrosinkinaseinhibitoren?)

Ich finde es erschreckend, dass auch in den USA es nicht möglich ist, bessere Studien bei Schilddrüsenkrebs (d.h. homongenere und größere Patientengruppen) durchzuführen.

Viele Grüße
Harald