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Antwort auf: Homöopathie – Wunderpillen Globuli? Mein (Nicht-)Kommentar

| Beitrags-ID: 302453

Hallo,

ein paar Anmerkungen zur bisherigen Diskussion:

„Wer heilt, hat recht!“

ist ein Satz, der oft ganz bewusst verkürzt benutzt wird:

Zum Beispiel:
Nähen von gerissenen Aussenbändern. Mit diesem operativen Eingriff wurden ab Mitte der Siebziger Jahre viele Sportler behandelt. Erfolgreich, weil nach ein paar Wochen konnten sie wieder laufen.

Nimmt man den oberen Spruch in dieser verkürzten Weise, dann waren die Chirurgen vollkommen im Recht.
Also munter weiter operieren.

Wer heilt, hat recht!“ hat hier die Bedeutung, „Ich habe recht, nachdenken verboten!

In den achtziger Jahren wurden dann eine Studie gemacht, in der Sportler mit gerissenen Aussenbändern in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Die einen wurden operiert, und die anderen bekamen nur einen Verband. Nicht-Operierte und Operierte konnten jedoch nach ein paar Wochen gleichermaßen wieder problemlos laufen. Es zeigte sich kein Unterschied.
(Quelle: Jörg Belch: Heillose Medizin)

Oder nehmen wir als Beispiel die Therapie des Schilddrüsenkrebs:

Der Wirkmechanismus der RJT ist sehr klar. Mit dem radioaktiven Jod lassen sich gar Fernmetastasen zerstören, die chirurgisch nicht entfernt werden können. Es scheint also eine sehr erfolgversprechende Therapie des Schilddrüsenkrebs zu sein.
Also: „Wer heilt, hat recht!„, reicht dies wirklich?

Ab den 1950er Jahren wurde zunehmend allen Schilddrüsenkrebspatienten die Schilddrüse nicht nur chirurgische entfernt, sondern es wurde zusätzlich auch mit ein oder mehreren Radiojodtherapien behandelt.

Diese RJTs hatten/haben mit großer Wahrscheinlichkeit sicherlich für einige von uns einen zusätzlichen Nutzen, bei vielen von uns ist jedoch der zusätzliche Nutzen gar nicht sicher.

Siehe zum Beispiel die retrospektiv Studie der Mayo Clinic (Hay 2007): In dieser Studie an jugendlichen Schilddrüsenkrebspatienten wurde u.a. auch festgestellt, dass bei Patienten die nur eine chirurgische Entfernung der Schilddrüse hatten, genau so oft ein Rezidiv auftrat, wie wenn zusätzlich noch eine RJT gemacht wurde. Die RJT brachte hier retrospektiv keinen Nutzen (allerdings nach 30 Jahren gibt es Spätfolgen, die eventuell mit der RJT zusammen hängen können; siehe Foren-Thema )

Da der Nutzen einer RJT nicht immer sicher ist, geht man schon länger davon ab, Mikrokarzinome immer mit einer RJT zu behandeln. Beim Mikrokarzinom treten zwar auch Rezidive und Metastasen auf, aber nach heutiger Erkenntnislage genau so oft, als wenn eine RJT gemacht wird.

Bei einer Therapie darf es daher nicht nur darum gehen, dass ein Wirkmechanismus logisch und sinnig erscheint, sondern die Therapie muss auch nachweisen, dass sie heilt. Dies kann man allerdings nicht an einem individuellen Einzelfall nachweisen – wie es nicht nur Homöopathen, sondern auch einige Schulmediziner tun (s.o.) – sondern nur über Studien, so genannte Outcome-Studien.

Der Satz „Wer heilt, hat recht!“ sollte eigentlich besser heißen: „Eine Therapie – egal wie logisch oder auch unlogisch sie ihren Wirkmechanismus erklärt – muss über Studien nachweisen, dass die Patienten dadurch geheilt werden.

Es gibt natürlich eine Vielzahl von Studien, die behaupten mit diesem oder jenem Medikament hätten wir einen Nutzen. Studie ist aber nicht gleich Studie. Hier haben sich in letzten Jahrzehnten gewisse Standards herausgebildet, welche eine Studie erfüllen muss, damit danach zu recht behauptet werden kann, dass wir Patienten durch eine Therapie einen Nutzen haben.
(Für Ärzte gibt es einen kleinen Band, in dem kurz zusammengefasst wird, worauf sie achten müssen, wenn sie eine Studie lesen.
Konrad Wink: Wie liest und bewertet man eine klinische Studie?)

Beim Schilddrüsenkrebs sind auf Grund seiner Seltenheit und seines langsamen Wachstums solche Studien mit sehr hohem Standard nur sehr schwer durchzuführen (wenn auch nicht gänzlich unmöglich). Studien beim Schilddrüsenkrebs können daher selten eine ganz eindeutige Antwort geben.

Unser Verein hat daher zur Leitlinien-Konferenz u.a. auch folgende Stellungnahme beschlossen:

individuelle Abwägung von Risiken ermöglichen
Medizinische Studien führen sehr selten zu eindeutigen Schlussfolgerungen (nur dann werden diese zur Grundlage von Richtlinien). In den meisten Fällen fließen die Ergebnisse lediglich in Leitlinien ein, die Empfehlungen z.B. für eine bestimmte Therapie geben.
Leitlinien sollten dies berücksichtigen, indem sie
– auf Studien mit entsprechenden Evidenzgraden verweisen und
– das Für und Wider einer Therapie/Diagnostik öffentlich machen.
Mit diesen Informationen lassen sich individuelle Risiken besser Fall-bezogen abwägen. Die Risikoabwägung sollte immer im Arzt-Patienten-Gespräch und gemeinsam von beiden erfolgen.

Zur Homöopathie direkt nur eine Anmerkung:

Es wurden hier in der Diskussion Haustiere angeführt, die angeblich die Wirkung der Globuli beweisen sollen.
Diese Beispiele zeigen jedoch nur auf, dass Tiere keine Sache sind, sondern lebendige Wesen, die sehr wohl auch ein Empfinden haben, so dass es auch bei ihnen zu einem Placebo-Effekt wie bei uns Menschen kommen kann. Wir sollten daher mit Tieren entsprechend respektvoll umgehen.

Viele Grüße
Harald

  • Diese Antwort wurde geändert vor 2 Jahre, 4 Monaten von Harald.