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BeateMitglieder-Beirat SD-Krebs 2000 (pap. + foll.)

Antwort auf: Merck ändert die Zusammensetzung von Levothyrox (Frankreich)

| Beitrags-ID: 378555

Hallo alle zusammen,

unser französischer Verein hat mit der „Levothyrox-Krise“ dermassen viel um die Ohren, dass ich mich bisher noch gar nicht zu Wort melden konnte, denn seit Juli/August herrscht bei uns „Dauerstress“, zwischen Anfragen voN Patienten, Kontakte mit Journalisten, oft sehr zähen Verhandlungen mit Behörden und Hersteller …

Harald hat die Lage sehr gut zusammengefasst (danke Harald!!)

Mehrere Umstände haben dazu beigetragen, dass das Problem hier in Frankreich so große Auswirkungen erreicht hat:

– Das „Monopol“ von Merck in Frankreich, 99% der 3,3 Millionen Patienten (so dass Patienten mit Nebenwirkungen nicht auf ein anderes Präparat wechseln konnten)

– Der Mangel an Informationen: die Änderung der Zusammensetzung wurde zwar angekündigt, aber mit der Anmerkung „es werden keine Änderung für die Patienten erwartet“ (obwohl man, aufgrund der Erfahrungen mit Änderung der Zusammensetzung in anderen Ländern, wie Neuseeland 2007, Dänemark 2009 oder Israel 2012, beim Präparat Eltroxin eines anderen Herstellers (GSK/Aspen), hätte wissen müssen, dass bei jeder Änderung ein kleiner Prozentsatz von Patienten Umstellungsprobleme hat und die Dosierung anpassen muss … (und dies selbst dann, wenn – wie in Israel – die Änderung überhaupt nicht bekannt ist, weil der Hersteller weder die Ärzte noch die Patienten informiert hat – so dass es sich also keinesfalls nur um einen „Nocebo-Effekt“ handelt …) Außerdem wurde nirgendwo verständlich erklärt, dass jede Änderung von Zusammensetzung oder Präparat die Hormoneinstellung beeinflussen und entsprechende Probleme verursachen kann.

Link zu einem Bericht im Ärzteblatt: Frankreich: Patienten siegen im Streit um Schilddrüsenhormone 2.10.2017
(nicht ganz exakt, habe einen Leserkommentar veröffentlicht)

Link zu unserer „Presserundschau“ (seit Anfang August bereits mehr als 300 Artikel, Radio- und Fernsehberichte usw …): https://www.forum-thyroide.net/phpBB/download.php?id=420

Seit dem 2. Oktober wird für die Patienten, die die neue Zusammensetzung von Levothyrox absolut nicht vertragen, aus Deutschland wieder die alte Zusammensetzung (EUTHYROX) importiert, allerdings nur begrenzt (für etwa 90.000 der 3 Millionen Patienten).

Die Arzneimittelbehörde hatte den Hersteller, Merck, bereits 2012 gebeten, die Zusammensetzung von Levothyrox zu verbessern, um es haltbarer zu machen, aber mit demselben Namen. Im April 2017 kam es mit der neuen Zusammensetzung auf den Markt.

Da es bei einer ganzen Reihe von Patienten (mehrere Tausend haben offiziell Nebenwirkungen angemeldet) Probleme gab, in Frankreich aber nur dieses eine T4-Präparat auf dem Markt ist (99% Marktanteile, bei 3,3 Millionen Patienten – 1% entfällt auf L-Thyroxine-Tropfen, überwiegend von Kindern oder Patienten mit Schluckbeschwerden eingenommen), haben die Patienten durch Proteste, Petitionen und Aktionen der Patientenvereine erreicht, dass das „Monopol“ jetzt aufgelöst wird:

– Serb, der Hersteller der Tropfen, hat die Fertigung verdoppelt

– Ab Mitte November kommt L-Thyroxin Henning (Sanofi) auf den französischen Markt

– Für Patienten, die nicht solange warten können, und mit dem „neuen“ Levothyrox nach wie vor starke Probleme haben (und bei denen eine Dosis-Anpassung nicht hilft), wird seit dem 2. Oktober das « alte » Levothyrox unter dem Namen Euthyrox angeboten (importiert aus Deutschland), allerdings nur begrenzt (für 90.000 Patienten).

Die Patientenvereine drängen darauf, dass noch weitere Alternativen auf den Markt kommen, die Arzneimittelbehörde verhandelt im Moment mit mehreren Herstellern.

Viele der von den Patienten gemeldeten Probleme mit dem „neuen“ Levothyrox hängen damit zusammen, dass sich durch die Umstellung die Hormoneinstellung geändert hat (Über- oder manchmal auch Unterfunktion), wie dies ja bei jedem Präparatwechsel der Fall sein kann. Allerdings haben manche auch Nebenwirkungen, obwohl sich ihre Hormonwerte NICHT geändert haben – die Meldungen über Nebenwirkungen werden in den kommenden Wochen ausgewertet und genau analysiert werden, um die Ursachen besser zu verstehen.

Mitte August erschienen die ersten, teils sehr „dramatischen“ Berichte in der Presse, und danach breitete sich der Protest lawinenartig aus … was im September zum Beschluss der Ministerin führte, für betroffene Patienten das „alte“ Präparat in begrenztem Umfang zurückzuholen, und den französischen Markt für weitere Anbieter zu öffnen (was schon viele Jahre früher erforderlich gewesen wäre !)

Wir hoffen, dass sich die Lage jetzt allmâhlich beruhigen wird … aber die Folgen (das beschâdigte Vertrauen in Ärzte (die die Beschwerden nicht ernst genug nehmen) und insbesondere in die Behörden (deren Management der Krise absolut katastrophal war, Informationen waren unvollständig und viel zu spät) werden sicher noch lange Auswirkungen haben.

Beate

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