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LottileinLeitungsteam NW Hypopara pap. SD-Ca pT 4b N1M1, Hypopara

Antwort auf: Was ohne OP?

| Beitrags-ID: 390559

Hallo Orion,

jetzt, wo Du etwas über die eher schlechte gesundheitliche Versorgung in dem Land, wo Du wohnst, gesagt hast, kann ich den Gedankengang ein bisschen nachvollziehen.

Ich weiß nicht, ob es überhaupt Beobachtungen gibt, wie lange Leute ohne jede Behandlung überleben. Wie Harald schon sagt, greift man manchmal bei Mikrokarzinomen nicht ein, aber bei Lymphknotenmetastasen tut man auf alle Fälle etwas.

Ich kann aber meine eigene Geschichte beitragen, da ich zu spät behandelt wurde. Ich wünsche, man hätte bei mir früher eingegriffen.

Ich war 16 als der erste Knoten in der Schilddrüse entdeckt wurde. Über die Dignität weiß nicht nichts, er wurde nie punktiert. Ich hatte leider das Pech an einen sehr schlechter Nuklearmediziner geraten zu sein. Meine Schilddrüse verknotete sich und er tat nichts.

Einige Wochen vor meinem 19. Geburtstag ging es mir zunehmend schlechter. Bleiernde Müdigkeit, die durch Schlaf nicht weg ging, Konzentrationsstörungen, Kreislaufprobleme, niedriger Blutdruck, völliger Einbruch der Leistungsfähigkeit. Der Hausarzt wusste das mit den Knoten in der Schilddrüse, glaubte aber den Briefen des Nuklearmediziners, der ja kein Problem erkannte hatte.

Dann kam der rettende Moment und das ist keine Übertreibung. Ich war noch mal in der nuklearmedizinischen Praxis und es war ein Vertretungsarzt da. Der hat mir das Leben gerettet, ohne Übertreibung. Er sah sofort, dass etwas nicht stimmte, hat direkt an dem Tag noch mehrere Punktionen gemacht und nach zwei Tagen hatte ich das Resultat: Schilddrüsenkrebs.

Durch die Zeit, die unnötig vergangen war, war es letztlich Stadium 4 (das letzte) mit Lymphknotenmetastasen und Fernmetastasen in der Lunge. Ich denke nicht, dass ich noch lange gelebt hätte. Meine Schilddrüse bestand fast nur noch aus Knoten und hatte ihre Funktion mehr oder weniger eingestellt. Die Lymphknoten am Hals waren mit dem Gewebe verbacken und drängten auf der einen Seite die Halsschlagader zur Seite und quetschten sie ein.

Ich kann mich an ein Wochenende vor der Diagnose erinnern, wo mir die Hände und Füße kribbelten. Ich dachte an Durchblutungsstörungen, es war aber rückblickend Calciummangel, weil meine Nebenschilddrüsen auch vom Krebs angegriffen waren. Auch das hält man ohne Behandlung nicht lange durch, sogar kürzer als eine unbehandelte Schilddrüsenunterfunktion.

Ich bin zwar nun über 40, mein Krebs konnte letztlich aber nie vollständig geheilt werden. Im letzten Jahr ist mir eine Lungemetastase entfernt worden und ich war noch mal zur Radiojoddiagnostik. Das wäre mit frühzeitigem Eingreifen anders gelaufen.

Ich weiß jetzt nicht, was Du damit meinst, dass Du schon etwas älter bist. Also wie Du siehst hat es bei mir nur knapp drei Jahre gebraucht und mein Körper war kurz vor dem Ende. Ich kann mich erinnern, dass ich im April operiert wurde und bereits im Dezember fing es an, dass ich mich schlechter und schlechter gefühlt habe. Ehrlich gesagt war ich froh, als die Diagnose kam. Ich dachte schon, ich bilde mir das ein, weil mein Hausarzt hat nie etwas gefunden hat außer niedrigen Blutdruck.

So, das war jetzt ein halber Roman. Ich danke Dir, dass Du bis hierhin gelesen hast. Wie gesagt: Ich wäre lieber früher behandelt worden. Gleichzeitig verstehe ich natürlich Deinen Gedankengang angesichts des schlechten Gesundheitssystems trotzdem.

Viele Grüße
Lotti

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