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Positionspapier: hsTG in der Nachsorge

Positionspapier: hsTG in der Nachsorge

| Beitrags-ID: 253833

Europäisches Positionspapier:
hoch-sensitiver TG-Assay in der Nachsorge
Antworten und offene Patientenfragen: Wie hoch ist das Risiko wirklich bei einem messbaren Thyreoglobulin (TG) -Wert? Welche Bedeutung hat dieser für mein Leben und meine Lebensqualität?

Eine Eigenart des Schilddrüsenkrebses ist, dass die Erkrankung auch Jahrzehnte nach einer erfolgreichen Behandlung wieder auftreten kann (=Rezidiv).

Die Langzeitnachsorge des papillären und follikulären Schilddrüsenkarzinoms wird daher nach erfolgreicher Radiojodtherapie, in der Regel mindestens einmal jährlich, durch die Bestimmung des TG-Wertes im Blut und eine Ultraschall-Untersuchung des Halses durch einen mit der Nachsorge des Schilddüsenkrebses erfahrenen Arztes durchgeführt.

Da die Höhe des TG-Wertes abhängig vom Hormon TSH sowie von den Thyreoglobulin-Antikörpern ist (siehe OFFLINE Nr. 11 bzw. Thema: Statement: TAK in der Nachsorge des differenzierten Schilddrüsenkrebs ), müssen immer auch diese beiden Werte mitbestimmt werden. Durch die TSH-Unterdrückung in der Nachsorge werden eventuell noch vorhandene oder wieder nachgewachsene Schilddrüsenkrebszellen nicht nur in ihrem Wachstum unterdrückt, auch die Produktion von Thyreoglobulin wird heruntergefahren, so dass die gemessenen TG-Werte mit den (alten) gängigen TG-Assays (funktionelle Sensitivität von 1-2 µg/l) nicht sehr sensitiv sind – bezüglich der Erkennung von Rezidiven.

Eine höhere Sensitivität kann man erreichen, in dem man den TG-Wert in einer Schilddrüsenunterfunktion oder nach einer Stimulation mit dem rekombinanten TSH (72 Stunden nach der letzten der zwei Spritzen mit rhTSH = Thyrogen) misst. Beide Verfahren gehen jedoch – das eine mehr, das andere weniger – mit einer körperlichen Beeinträchtigung von uns Patienten einher. Offen ist zudem in den aktuellen Leitlinien die Frage, wie oft man einen so stimulierten TG-Wert in der Nachsorge bestimmen soll.

Mit den neuen hoch-sensitiven TG-Assays (hsTG) gibt es nun, die Möglichkeit unter bestimmten Bedingungen auf einen stimulierten TG-Wert zu verzichten. Bereits im Jahr 2011 – in der Zeit als es große Lieferschwierigkeiten von rhTSH gab – haben wir den hoch-sensitiven bzw. ultra-sensitiven TG-Assay – basierend auf Arbeiten der Forschungsgruppe um die Endokrinologin Rossella Elisei von der Universität Pisa – als eine Möglichkeit in der Nachsorge thematisiert (siehe OFFLINE Nr. 7, 2011, bzw. Thema: FAQ: Ultrasensitive Thyreoglobulin-Assays (us-TG) ).

Unter der Leitung von Prof. Luca Giovanella, Nuklearmedizinische Klinik in Bellinzona, Schweiz, haben sich europäische Schilddrüsenkrebsspezialisten – u. a. auch Elisei – zusammengesetzt und ein umfangreiches Positionspapier mit insgesamt 24 Empfehlungen zum hoch-sensitiven TG-Assay (hsTG) in der Nachsorge von Schilddrüsenkrebspatienten erstellt (European Journal of Endocrinology 2014, 171). Wie schon beim Positionspapier zu den TAK (OFFLINE Nr. 11 bzw. Thema: Statement: TAK in der Nachsorge des differenzierten Schilddrüsenkrebs ) hat auch bei diesem unser Bundesgeschäftsführer, Harald Rimmele, als Patientenvertreter mitgewirkt, um die Patientenperspektive einzubringen.

Ein Großteil der Empfehlungen sind vor allem für die Ärzte und für die weitere Forschung von Bedeutung. Durch das Positionspapier wird kein TG-Assay eines bestimmten Herstellers empfohlen, aus diesem Grund wird auch der Begriff „hoch-sensitiv“ benutzt, und nicht „ultra-sensitiv“, weil dieser zum Teil mit Assays von bestimmten Herstellern verbunden ist.

Eine Reihe von Empfehlungen des Positionspapiers haben den Empfehlungsgrad I, d. h. die Studienlage ist nicht eindeutig, und es gibt Autoren des Positionspapiers, die sich für eine Empfehlung aussprechen, und welche dagegen.

Die wichtigste und unstrittige Empfehlung für die Nachsorge ist, dass bei low-risk Patienten und einem nicht nachweisbaren hsTG-Wert (<0,1 µg/l) eine TSH stimulierte TG-Bestimmung nicht notwendig ist.

Bei einem hsTG-Wert > 1,0 µg/l ist wie in den aktuellen Leitlinien zu verfahren.

Weitere Empfehlungen basieren zum Teil nur auf Expertenmeinung: So soll eine erste hsTG-Messung frühestens 3 Monate nach der RJT erfolgen. Früher festgestellte Wert sollen mit Vorsicht interpretiert werden, da die TG-Werte in der Regel noch weiter fallen (6-12 Monate).

In 3 bis 12 Monats-Intervallen solle die Messung je nach Risikoprofil des Patienten wiederholt werden. Wenn ein hsTG-Wert zwischen 0,1 und 1,0 µg/l liegt, soll mindestens ein stimulierter TG-Wert – eventuell mit einer RJD – erwogen werden.

Kommentar und Patientenfragen:

Die Empfehlung für den Verzicht auf weitere Diagnostik bei einem nicht nachweisbaren hsTG ist aus Patientensicht ein großer Fortschritt.

Aber gilt dies auch für die Empfehlung, dass bei einem hsTG-Wert zwischen 0,1 und 1,0 µg/l ein rhTSH-stimulierter TG-Wert – optional mit einer RJD – erwogen werden soll?

Um zu einer gemeinsamen partnerschaftlichen Risikoabwägung von Arzt und Patient zu kommen (siehe Thema: Merkblatt: Arzt-Patienten-Gespräch ), braucht es mehr Informationen darüber wie hoch das Risiko für ein Rezidiv bei einem solchem Wert ist (= positiver prädiktiver Wert; siehe auch Kapitel: 1.3. Risiken verstehen in unserer Broschüre: Knoten der Schilddrüse bzw. Thema: 1.3. Risiken verstehen – Broschüre Knoten). Das Risiko für ein Rezidiv bei diesen hsTG-Werten dürfte vermutlich zwischen 15% und unter 1% liegen, je nachdem wie lange die erfolgreiche Ablation zurückliegt. Ist eine Empfehlung für einen stimulierten TG-Wert auf Grund dieser hsTG-Werte wirklich weniger willkürlich, als eine Empfehlung einen stimulierten TG-Wert in Abständen von 1, 3 und 5 Jahren zu machen?

Was ist mit den nachweisbaren TG-Werten, die – zum Teil über mehrere Jahre oder überhaupt – keine Bedeutung für die Gesundheit der Patienten haben (vermutlich von Resten gesunder Schilddrüsenzellen oder von Thymuszellen; Zanotti-Fregonara 2010)?. Für diese TG-Werte wird zum Teil der Begriff biochemical disease (= biochemische Krankheit) benutzt. Warum wird schon eine bestimmte Wahrscheinlichkeit in einem bestimmten Zeitraum ein Rezidiv zu bekommen als ein solches ausgegeben?

Wird das Rezidiv wirklich schlechter behandelt, wenn die „Therapie“ erst bei einem hsTG-Wert von >1,0 µg/l beginnt? usw. usf.


Weitere Hintergrund-Informationen zur Risikoeinschätzung:

Wie hoch das Risiko für ein Rezidiv ist, darüber gibt es unterschiedliche Angaben, was damit zusammenhängt, wie die Definition der einzelnen Risikogruppen definiert werden. Es gibt dabei verschiedene Modelle, die unterschiedliche Risikofaktoren zu einander in Beziehung setzen: Alter (>45), Geschlecht (männlich), primäre Tumorgröße, regionale und Fernmetastasen (TNM-Klassifikation), erfolgreiche Entfernung des Tumorgewebes, ……

Am verbreitetsten sind die Einschätzungen des europäischen Konsensus aus dem Jahr 2006 und aus der amerikanischen Leitlinie aus dem Jahr 2009.

Europäischer Consensus aus dem Jahr 2006

  • Very low-risk group (Sehr geringe Risiko-Gruppe)
    unifokales Mikrokarzinom ≤ 1cm, kein Überschreiten der Schilddrüsenkapsel und keine Lymphknoten-Metastasen. Die Radiojodtherapie (RJT) bringe hier keinen zusätzlichen Nutzen.
  • High-risk group (Hoch Risiko-Gruppe)
    Definitive Indikation für eine RJT: Hierzu gehören alle mit Fernmetastasen, unvollständiger Tumorentfernung, Tumorausbreitung über die Schilddrüsenkapsel (T3 und T4) oder Lymphknoten-Befall.
  • Low-risk group (Geringe Risiko-Gruppe)
    Beinhaltet alle anderen Patienten. Nutzen der RJT ist umstritten bei den Ärzten.

Amerikanische Leitlinie aus dem Jahr 2009

Risikoeinschätzung für das wiederauftreten des Schilddrüsenkrebs (Rezidiv !!!):

  • Low-risk (geringes Risiko für ein Rezidiv)
    Hierzu gehören Patienten mit folgenden Merkmalen:
    • keine lokalen oder Fernmetastasen
    • sichtbares Tumorgewebe wurde vollständig entfernt
    • kein Tumorwachstum in benachbartes Gewebe der Schilddrüse
    • der Tumor hat keine aggressive Histologie (wie zB.Tall-Cell, Insulär, Columnar Cell Karzinom) oder Einbruch in die Blutgefäße
    • Wenn eine RJT durchgeführt wurde, keine Speicherung außerhalb des Schilddrüsenbetts.

  • Intermediate-risk (mittleres Risiko für ein Rezidiv)
    Hierzu gehören Patienten mit folgenden Merkmalen:
    • mikroskopische Eindringung in das randständige Weichteilgewebe der Schilddrüse (Festgestellt bei der ersten Operation)
    • Lymphknotenmetastasen festgestellt durch den Chirurgen oder durch das Ganzkörperszintigramm nach der ablativen RJT
      oder
    • Tumor mit aggressiver Histologie oder Einbruch in die Blutgefäße
  • High-risk (hohes Risiko für ein Rezidiv)
    • sichtbare Tumoreindringung (in benachbartes Gewebe)
    • unvollständige chirurgische Entfernung des Tumor
    • Fernmetastasen
      und möglicherweise
    • Thyroglobulin-Wert steht in keine Verhältnis zu dem, was im Ganzkörperszinitgramm nach einer RJT zu sehen ist

Bei low-risk-Patienten liegt das Risiko für ein Rezidiv in 10 Jahren in Utrecht bei 13 % ( Studie: Erfolgreiche Ablation macht high-risk zu low-risk. Bei den Daten des Würzbruger Studienregister sind es nur 3,6% in 10 Jahren (siehe
FAQ: Ultrasensitive Thyreoglobulin-Assays (us-TG)
.

Im Utrechter-Studienregister wurde low-rick definiert mit:

  • kein Nachweis von Schilddrüsenrestgewebe und Metastasen sowie unauffälliger TG-Wert

Die Frage ist aber auch, ab wann spricht man von einem Rezidiv (s.o.).

Hier eine Excell-Tabelle zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit, dass ein positiver Wert einer Diagnostischen Methode auch tatsächlich richtig ist (=Wirksamkeit = positver präktiver Wert = positve predictiv value = PPV) :
http://www.sd-krebs.de/verein/projekte/arzt-patienten-gespraech/Risikoverteilung-und-hsTG-20140625.xlsx

Zum TG und seiner Rolle in der Nachsorge gibt es eine Vielzahl von Studien. Bei den folgenden Studien habe ich das Abstract (oder wenn frei zugänglich auch den Artikel) angeschaut (Liste ohne Wertung):

Viele Grüße
Harald


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.
Corinna
Nutzer*In
pap. SD-Carcinom, follik. Variante Lindsay pT1pNxpMxRO

Antwort auf: Positionspapier: hsTG in der Nachsorge

| Beitrags-ID: 361446

Hallo,

meine Schildrüsen-Ca Diagnose war vor 12 Jahren. Die Nachsorge verlief bisher unauffällig. Im letzten Jahr hat mein Endo seinen Thyreoglobulintest geändert und verwendet jetzt einen hs-Tg Test. Mein bisher nicht nachweisbar attestierter Tg ist jetzt messbar ( 0,22, 0,64 ng/ml). Kontrollmessungen mit anderen Testassays ergaben weiterhin Werte kleiner der Nachweisgrenze. Allerdings die Tests sind nicht ganz so sensitiv, wie der vom endo eingesetzte Test. Mein Problem, von eben noch gesund wird man durch den positiven Wert dieses Tests doch sehr beunruhigt. Ist da doch wieder/noch was? Mein Endo meinte gleich was von hochdosisierter RJT. Bis jetzt habe ich nicht von ihm gehört und fühle mich etwas unruhig. Aber ich werde mich bis zur nächsten Messung gedulden müssen. Gibt es jemanden mit ähnlichen Erfahrungen mit diesen hochsensitiven Tests?

Anonym
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