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Studie: Schweinehormone vs. L-Thyroxin in der Substitution

Studie: Schweinehormone vs. L-Thyroxin in der Substitution

| Beitrags-ID: 252502

Hallo,

nach der dänischen Studie zur Kombinationssubstitution mit L-T4 und L-T3 (Nygaard 2009), welche u.a. Anlass für die Europäische Leitlinie zur L-T4 und L-T3-Substitution (2012) war, wurde dieses Jahr im Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism nun eine ähnliche Studie aus den USA mit getrockneten Extrakten aus Schilddrüsen von Schweinen bzw. Rindern publiziert im Vergleich zu einer Behandlung mit dem synthetisch hergestellten Levothyroxin.

  • DTE = Desiccated thyroid extract = getrocknete Extrakte aus Schilddrüsen von Schweinen oder Rindern. Umgangssprachlich auch manchmal als Schweinehormone und Rinderhormone abgekürzt, manchmal auch als „natürliche“ Schilddrüsenhormone beworben.
    Armour Thyroid™ und Nature-Throid™ wird aus Schweine Schilddrüsen hergestellt und hat durch die FDA eine Zulassung in den USA.
  • TSH = Thyroidea (= Schilddrüse) stimulierendes Hormon.
    Die Hypophyse (Hirnanhangdrüse) schüttet das Hormon TSH aus, welches die Schilddrüse anregt, die Schilddrüsenhormone T4 und T3 zu produzieren.
  • T4 = Tetrajodthyronin = Thyroxin = Schilddrüsenhormon
    Die 4 steht für 4 Jodatome, die in dieser Verbindung gebunden sind.
    T4 ist ein reines Depot-Hormon. Es sind keine Stoffwechselvorgänge bekannt, bei denen T4 selbst aktiv beteiligt ist. Mithilfe der Dejodase in verschiedenen Körperzellen wird aus T4 das aktive Schilddrüsenhormon T3.
  • T3 = Trijodthyronin = Schilddrüsenhormon
    Die 3 steht für 3 Jodatome, die in dieser Verbindung gebunden sind.
    T3 ist das aktive Hormon.
  • fT4 und fT3
    Die Schilddrüsenhormone sind an Transportproteine im Blut gebunden. Zur Bestimmung der Schilddrüsenwerte im Blut werden die freien, nicht gebundenen Schilddrüsenwerte fT4 und fT3 bestimmt.
    siehe auch: FAQ: Lebensqualität und Schilddrüsenwerte im Blut.
  • L-T4 = Levothyroxin ist das synthetisch hergestellte Schilddrüsenhormon T4 (Handelsnamen von L-T4-Präparaten: L-Thyroxin®, Euthyrox®,…)
  • L-T3 =Liothyronin ist das synthetisch hergestellte Schilddrüsenhormon T3 (Handelsnamen von L-T3-Präparaten: Thybon®, Cytomel®, …)

Diie Ergebnisse sind ähnlich der der dänischen Studie zur Kombinationstherapie:

  • 49% bevorzugten die getrockneten Extrakte aus Schilddrüsen (bei Nydgaard 49% die Kombinationstherapie),
  • 13% bevorzugten L-Thyroxin (T4) (bei Nydgaard 15%),
  • der Rest fand kein Unterschied.

In diese Studie wurden gar 70 Patienten eingeschlossen, die zuvor bereits 6 Monate stabil mit L-Thyroxin eingestellt waren.

Die Patienten wurden per Zufall in zwei Gruppen eingeteilt, die eine Gruppe erhielt weiter L-Thyroxin und die andere bekam DTE, nach 16 Wochen wurde gewechselt (=crossover), und die andere Gruppe bekam das jeweils andere Medikament. Behandelnde Ärzte und Patienten wussten jeweils nicht, wann sie was eingenommen haben (=Doppel-Verblindet).

Bemerkenswert an dieser Studie ist, dass bei den durch Fragen erhobenen Beschwerden und kognitiven Messinstrumenten kein Unterschied fest zu stellen war.

In der Phase mit DTE nahmen die Patienten im Durchschnitt 3 lb (=1,36kg) ab.

Es wurde dann die Gruppe die DTE präferierte genauer angesehen, hier zeigte sich, dass diese unter DTE 4lb (=1,81kg) abnahmen und sich auch subjektiv besser fühlten (Gemessen mit eine allgemeine Fragebogen und einem Schilddrüsenspezifischen Fragebogen). Wobei es hier 5 Variablen gab (im Abstract leider nicht genannt) mit denen sich vorhersagen ließ, wer DTE präferierte.

Zusammenfassen kommen die Autoren zum Ergebnis, das mit DTE es zu keiner (messbaren) Verbesserung der Lebensqualität kommt, jedoch fast die Hälfte der Patienten DTE präferieren und es zu einer Gewichtsabnahme kommt.

DTE dürfte daher für bestimmte Patienten eine relevante Therapieoption sein.

Anmerkung Harald:
Auch die Blutwerte der Patienten waren jeweils normalisiert („Both types of thyroid hormone were able to normalize the abnormal thyroid blood tests.“ [ATA-Website s.u.]).

Welche genauen Blut-Werte bestimmt wurden, steht leider nicht Abstract und der Artikel ist nicht frei verfügbar.

Im Jahr 2007 hat die British Thyroid Assocation (BTA) Executive Committee eine Stellungnahme verfasst, in der sie zu bedenken gibt, dass der Anteil von T3 in den Rinderhormone und Schweinehormone, wesentlich höher ist, wie in der menschlichen Schilddrüse. Außerdem gäbe es Schwierigkeiten die Extrakte in stabiler Kombination herzustellen, was gesundheitliche Risiken für den Patienten bedeuten würden (Im Preis unterscheide sich DTE 20 £/por Monat zu L-T4 1 £/pro Monat auch erheblich).

Diese Bedenken habe ich persönlich immer noch bei den DTE.

Das Hauptproblem der Substitution, die kontinuirliche Aufnahme von T3 ist auch mit den DTE nicht möglich. Eine zeitlich andere Einnahme des T3 ist hier, anderes wie in der T4/T3-Kombinationstherapie auch nicht möglich.
siehe: Europäische Leitlinie zur L-T4 und L-T3-Substitution (2012).

Die Ergebnisse dieser Studie sind dennoch sehr bemerkenswert, scheinen sie doch die Vorbehalte wie sie in der BTA-Stellungnahme abgeben werden, nicht zu bestätigen.

Die amerikanische Organisation der Schilddrüsenärzte (ATA) führt diese Studie auch in ihrer Patienteninformation auf. Dies ist zwar keine offizielle Stellungnahme der ATA zu dieser Studie, aber immerhin:

CLINICAL THYROIDOLOGY FOR PATIENTS
A publication of the American Thyroid Association (Vol 6 Issue 8 p.3)

Summaries for Patients from Clinical Thyroidology (from recent articles in Clinical Thyroidology)
Desiccated thyroid extract vs Levothyroxine in the treatment of hypothyroidism

Viele Grüße
Harald


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Antwort auf: Studie: Schweinehormone vs. L-Thyroxin in der Substitution

| Beitrags-ID: 356162

Hallo,

JCEM hat mir den Artikel frei zugänglich gemacht, so dass ich noch etwas ausführlicher auf das Studiendesign ein gehen kann.

Wesentliche Voraussetzung für die Studie war, dass die Messung des Inhalts von DTE nun standardisiert ist.

65 mg von Armour ™ (DTE) enthalten 38µg T4 und 9µg T3
(also ein relativ hohen Anteil von T3; siehe Europäische Leitlinie zur L-T4 und L-T3-Substitution (2012). )

Um von einer L-T4 Dosis zu einer DTE-Dosis zu kommen wurde wie folgt umgerechnet:
1mg DTE = 1,667µg L-T4.

Zu Beginn der Studie mussten alle Patienten einen stabilen TSH-Wert haben.

Mit verschiedenen Fragebögen wurde die Lebensqualität gemessen:

  • Gedächtnis Test (Wechsler memory scale, fourth edition = WMS-IV)
  • Fragekatolog bezüglich Depressionen (BDI = Beck Depression Inventory)
  • TSQ = Thyroid Symptom Questionaire (Schilddrüsenbeschwerden Fragekatalog)
  • GHQ-12 – allgemienr Fragenbogen zum Gesundheitsszustand

Neben den oben erwähnten Fragebögen, wurden eine körperliche Untersuchung, welche ein EKG beinhaltete durchgeführt.
Es wurden TSH, fT4, TT4, TT3, T3 resin uptake, rT3, SHGB, Blutwerte des Fettstoffwechsels , zu Beginn und jeweils nach 16 Wochen gemessen.

Die Patienten mussten die Hormone nüchtern nur mit Wasser nehmen, und durften erst eine Stunde danach Frühstücken.
Andere Medikamente, die die Aufnahme von T4 beeinflussen, wie Eisen, Kalzium, Mittel die Soya enthalten, Metamucil (indischer Flohsamen), Mulitvitaminpräparate durften erst 4 Stunden später eingenommen werden.

Nach 6 Wochen wurde jeweils der TSH-Wert kontrolliert, und die Dosis angepasst.
Der TSH-Wert sollte zwischen 0,5 und 3,0 µIU/mL liegen.

Während der DTE-Behandlung hatten die Patienten:

  • höhere Werte bei

  • niedrigere Werte bei

Bei den jeweiligen Gruppen die DTE bzw. L-T4 bevorzugten, konnte dies zum Teil auch an ihrer ursprünglichen Konstitution in den Fragebögen gemessen werden.

Anhand des TSQ-Fragebogen lässt sich zu dem gut vorhersagen, wer DTE Bevorzugt.
Auch wenn die Geichtsabnhame in der Gruppe, die DTE bevorzugt größer ist, so ist der Unterschied jedoch statisch nicht signifikant (kann also auch Zufall sein).
Allerdings alle Patienten haben unter DTE abgenommen, wobei der höhere TT3-Wert nicht mit Beschwerden des Herz-Kreislauf-Systems ein herging.
Allerdings ist nicht s über die Langzeit -Effekte bekannt.

Betrachtet man die Umrechnung von DTE zu L-T4 nach Anpassung des TSH-Wert, so entspricht im Durchschnitt 1 mg DTE = 1,47µg L-T4.

Diskussion der Autoren der Studie

Die Forscher geben zu bedenken, dass in früheren Studien in denen DTE mit L-T4 verglichen wurde, die TSH-Messung noch nicht so gut war, und dass auch DTE nicht zu standardisiert war. Auch wurden keine Parameter zur Lebensqualität in diesen Studien erhoben.
Auch verweisen sie auf eine alte Studie aus dem Jahr 1996 von Lanni et.al. an Ratten, dass T1 (Monoiodothyromine) und T2 (Diiodothyromine) eventuell einen positiven Effekt haben.

    Lanni A (et.al.) in J Physiol. 1996:
    Calorigenic effect of diiodothyronines in the rat.Abstract auf PubMed

Eine Genetische Analyse wie in der Studie von Panicker (et.al. 2009) wurde nicht gemacht. Panicker et al. fanden heraus, dass Patienten eine L-T4/L-T3-Substitution bevorzugen, wenn sie einen CC Genotyp auf dem rs225014 Polymorphismus im Deiodase 2 Gen haben.

    Panicker V (et. al.) in: J Clin Endocrinol Metab. 2009
    Common variation in the DIO2 gene predicts baseline psychological well-being and response to combination thyroxine plus triiodothyronine therapy in hypothyroid patients.
    Abstract auf PubMed

siehe dazu auch:FAQ: Lebensqualität und Schilddrüsenwerte im Blut.

Ob die Studien die die LT4 Substitution mit einer L-T4/L-T3 Substitution verglichen haben, mit Studie zum Vergleich zu DTE zu übertragen sind, ist nach Ansicht der Autoren auch unklar, zu mal dies überhaupt die erste prospektive, randomisierte, doppel-blinde, cross-over Studie zu DTE m Vergleich zu L-T4 ist.

Die Autoren wünschen sich vor allem Studien mit längeren Beobachtungszeiträumen und größeren Teilnehmerzahlen, insbesondere bezogen auf Patienten, die ein höheres Risiko haben für Herz-Erkrankungen.

Viele Grüße
Harald

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