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FAQ-Hilfe: EBM – Was sind patientenrelevante Endpunkte?

FAQ-Hilfe: EBM – Was sind patientenrelevante Endpunkte?

| Beitrags-ID: 245686

Update 15.8.2019

FAQ-Hilfe: Evidenzbasierte Medizin (EBM) – Was sind patientenrelevante Endpunkte?

Der menschlich Organismus ist ein höchst komplexes Gebilde. Auch Krankheiten verlaufen höchst unterschiedlich und haben in der Regel ein auf- und ab. Manchmal braucht der Körper eine äußere Unterstützung (Therapie) , und manchmal braucht es auch einfach nur Zeit bis der Körper wieder genesen ist (z.B. Erkältung). Die Unterstützung zur Genesung kann recht unterschiedlich sein, diese reicht von schweren physischen Eingriffen wie Operationen, Medikamenten und pflanzlichen Substanzen bis hin zu sanften Eingriffen wie Veränderungen der Ess-, Trink- und Bewegungsgewohnheiten sowie menschlicher Zuwendung.

Bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts hat in der Schulmedizin ein Denken vorgeherrscht, das von einfachen kausalen Zusammenhängen ausging. Gab es eine logisch klingende Erklärung für eine Therapie, so war man meist überzeugt auch das Richtige zu tun.

In einer Reihe von so genannten doppelblinden Studien (Arzt- und Patient wissen beide nicht welche Therapie bzw. in welcher Gruppe ein Placebo angewendet wurde) wurden ab Mitte der 80er Jahre jedoch gefragt, wie sich die Therapien auf die Lebensqualität des Patienten oder gar auf das Überleben des Patienten auswirken.

Bei einer Reihe von schulmedizinischen Therapien zeigte sich zum Entsetzen der Ärzte, dass diese dem Patienten keinen Nutzen brachten, schlimmer gar den Patienten zusätzlichen Schaden zufügten.

Ein Beispiel bei uns wäre die Diskussion um das Mikrokarzinom, und die geeignete Therapie und Nachsorge. Hier wird heftigst, um die Frage diskutiert, ob die Mikrokarzinome, wenn sie nicht entdeckt worden wären, es den Patient*innen eventuell nicht besser gehen würde, weil der Krebs vermutlich nie lebensbedrochlich geworden wäre. Auch der Nutzen der RJT für die meisten Schilddrüsenkrebspatienten wird z.B. durch Ärzt*innen der amerikanischen Mayo-Klinik bestritten (siehe Mitglieder-Gruppe Mikrokarzionm und die dortigen Links).

Auch zeigte sich, dass Substanzen oftmals im Reagenzglas (in-vitro) oder gar im Tierversuch erfolgreich gegen Zelle bzw. Krankheiten wirkten, dies dann nicht immer auch von Vorteil beim Menschen war. Auch hat sich des öfteren gezeigt, dass ein Medikament erfolgreich bei einer Krebsart ist, sich bei einer anderen überhaupt nicht von Vorteil ist.
(siehe Thema Studie: Tyrosinkinaseinhibitor Sorafenib (Nexavar®)…. Sorafenib hat eine Zulassung beim fortgeschrittenen Nierenkarzinom und Schilddrüsenkarzinom; auf der anderen Seite musste eine Studien beim metastasierten Melanom vorzeitig abgebrochen werden.)

Inzwischen gibt es daher ein Kaskade von verschieden Studientypen bei der Entwicklung von neuen Medikamenten und Therapien:

  • In-vitro-Studien – an Zellen im Reagenzglas
  • Tierversuche
  • Klinische Studien – Phasen klinischer Studien
    • Phase I = Verträglichkeit und Sicherheit des Medikaments wird an einer kleinen Gruppe von Menschen (20-80) geprüft. Das Risiko gefährlicher Nebenwirkungen soll damit ausgeschlossen werden.
    • Phase II = Suche nach einer geeigneten wirksamen Dosis. Positive Wirkungen des Medikaments sollen gefunden werden.
    • Phase III = Studie um eine Zulassung zu bekommen. Hierzu muss die bessere Wirksamkeit im Vergleich zu einem Scheinmedikament (Placebo) oder im Vergleich zu einer Standardtherapie nachgewiesen werden.
    • Phase IV = Studien mit einer sehr großen Zahl von Patienten, um z.B. sehr seltene Nebenwirkungen zu finden.

(Von der Deutschen Krebshilfe gibt es auch einen Blauen Ratgeber: Klinische Studien 60 (Hrsg. DKH).)

Eine weitere Erkenntnis war, dass so genannte Surrogatparameter nicht immer auch den Patientennutzen widerspiegelten. Z.B. ging man davon aus, dass wenn ein bestimmter Blutwert erreicht worden sei, es den Patient*innen auch besser gehen würde. Hier zeigte sich, dass man zwar bestimmte Veränderungen bei den Blutwerten erreichen konnte, den Patient*innen es jedoch nicht immer besser ging.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG) akzeptiert in seinen Beurteilungen Surrogatparameter nur in Ausnahmefällen und verlangt daher im Nachhinein eine Bestätigung durch weitere Studien.
siehe IQWiG-Vortrag 27.4.09: Umgang mit patientenrelevanten Endpunkten.Surrogate sowie Interne und externe Evidenz (PDF-Präsentation 126kb)
sowie mein Bericht von dieser Veranstaltung: Patientenvertreter im G-BA – Methodenbewertung (Vereins-Forum)

    Bei uns ist zum Beispiel der TG-Wert ein Surrogatparameter. Man geht davon aus, dass nach vollständiger Entfernung der Schilddrüse durch Operation und Radiojodtherapie dieser Wert eigentlich nicht mehr messbar sein sollte.
    Studien zur ablativen RJT mit rhTSH (Thyrogen) basieren auf der Bedeutung des TG als Surrogatparameter, da man ja nicht 10-20 Jahre bis zur Zulassung von rhTSH warten möchte.
    Es gibt daher auch einige Arbeiten, in denen versucht wird darzulegen, dass TG ein geeigneter Surrogatparameter für die vollständige Entfernung der Schilddrüse ist. Die vollständige Entfernung der Schilddrüsenzellen wird wiederum als Surrogat für die Heilung vom Schilddrüsenkrebs benutzt.
    (siehe Zulassungsstudie: Studie: Radiojodtherapie mit Thyrogen – 2005)

    Wenn nun bei uns z. B. TG in geringen Mengen (wieder) messbar ist, dann geht man im allgemeinen auch davon aus, dass wieder Schilddrüsen(krebs)zellen nachgewachsen sind. Es stellt sich jedoch die Frage, welche Bedeutung ein geringer TG-Wert für den Krankheitsverlauf des Patienten hat, wenn dieser durch die TSH-Unterdrückung nicht weiter steigt. Hat dies überhaupt eine Bedeutung für den Krankheitsverlauf und das Leben des Patienten? Oder wird der Patient nur unnötig verängstigt und unnützen weiteren Therapien unterzogen?
    (siehe unsere Gruppe: TG-Wert beständig leicht erhöht und die dortigen Links.)

    Aber auch das Progressions-freie Überleben (progression-free survival=PFS ist nur ein Surrogatparameter, bei dem gleichfalls nicht offensichtlich ist, dass er für die Patienten relevant ist. PFS ist vor allem leicht zu messen und wird daher in den Zulassungsstudien gerne als Primärerendpunkt gewählt. PFS ist jedoch nur dann für die Patienten relevant, wenn dieser mit anderen direkten patientenrelevanten Endpunkten einhergeht (z.B. Verlängerung der schmerzfreien Zeit; siehe Nutzenbewertung des IQWiG von Vandetanib Presseerklärung vom 17.6.2013). Das IQWiG fordert daher die patientenrelevanten Endpunkte direkt zu messen. Das PFS wird oftmals als Surrogat für die Verlängerung des Gesamtüberlebens gesehen. Da in den Zulassungsstudien oftmals ein so genanntes Cross-over möglich ist, bei dem die Patienten im Placebo-Studienarm nach einem Progress in den Verumarm, wechseln dürfen, können diese Studien nicht zeigen, ob damit auch ein Gesamtüberleben einhergeht (siehe z.B. Sorafenib – Phase-III-Studie bei wenig-diff. SD-Krebs).

    Auch das Gesamtüberleben (overall suvival=OS) ist nicht per se ein patientenrelevanter Endpunkt. Wenn z.B. die Verlängerung des Gesamtüberleben durch ein Medikament nur wenige Wochen beträgt, die Lebensqualität jedoch über mehrere Monate ganz erheblich beeinträchtigt wird, ist der Nutzen für die Patienten sehr fraglich.

Die Evidenzbasierte Medizin (EBM) versucht hier Antworten auf diese Fragen zu finden, basierend auf kontrollierten und doppelblinden Studien (Randomized Controlled Trial=RCT) und darauf, dass nach dem patientenrelevanten Nutzen, nach patientenrelevanten Endpunkten in den Studien gefragt wird.

Das Problem ist nun jedoch, dass nicht immer doppel-verblindete Studien durchgeführt werden können, weil z.B. die zu untersuchenden Zeiträume viel zu lang sind, aus ethischen Gründen, weil man davon ausgeht, dass ein gewisser Nutzen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, ein Nichteinsatz einer Therapie (Placebo) also ein Schaden für den Patienten ist. Man wird daher immer auch auf Surrogatparameter angewiesen sein.

Prof. Heiner C. Bucher vom Basel Institute for Clinical Epidemiology & Biostatistics (ceb) hat für die Beurteilung von Surrogatparametern daher eine Kriterienliste erstellt:

  1. Gibt es eine starke, unabhängige und einheitliche
    Assoziation zwischen den Surrogatparameter und klinische Endpunkten?
  2. Wurde der Surrogatparmeter mit anderen Medikamenten in randomisierten, kontrollierten Studien überprüft, und hat der Surrogatparameter zur Verbesserung der patientenrelevanten Endpunkten geführt?
  3. Gibt es Evidenz aus randomisierten Studien in der gleichen Medikamenten Klasse, die zeigen dass durch den Surrogatparameter es auch zur Verbesserung der patientenrelevanten Endpunkte kam?

(Quelle Vortag 26.1.2010 aufGFR Workshop 2010 des IQWiG)

Weitere FAQ
:

Vom IQWiG = Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen wurde 2011 auch ein Bericht zur Aussagekraft von Surrogatparametern in der Onkologie vorgelegt: (IQWiG- Aussagekraft von Surrogatparametern)

Siehe auch unsere Vereins interne Diskussion zu PET und patientenrelevante Endpunkten in Studien?.

weitere Quelle:

  • Definition von Endpunkten durch die EMA
    Guideline on the evaluation of anticancer medicinal products in man; 13 December 2012; PDF

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Update: 13.07.2017
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