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Sensible (?) Schilddrüsenhormonsubstitution

Sensible (?) Schilddrüsenhormonsubstitution

| Beitrags-ID: 258868

Update 12.12.2020
Sensible (?) Schilddrüsenhormonsubstitution

Worauf bei Schilddrüsenhormonpräparaten zu achten ist.
[Dieser Beitrag erschien auch in gekürzter Form in unserem www.sd-krebs.de – OFFLINE, Nr. 21, Dezember 2018 sowie in unserer Broschüre: Mit Schilddrüsenhormonen leben!Inhaltsverzeichnis]

Inhalt dieses Beitrags:

Überblick und einfach erklärt:
siehe folgende Kapitel in unserer Broschüre:

    Knoten der Schilddrüse und ihre Behandlung
    Beobachten oder behandeln/operieren?

Ein Überblick, was bei der Einnahme von Schilddrüsenhormonen zu beachten ist, findet man über: FAQ: Häufige Fragen zur Substitution, Medikamenten etc.


Schilddrüsenhormone und Schilddrüsenwerte im Blut

Die Schilddrüse schüttet die Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) in das Blut aus. Während das gesamte T4 aus der Schilddrüse kommt, kommen lediglich 20 % des im Blut zirkulierenden T3 aus der Schilddrüse. In allen Körperzellen, vor allem jedoch in Leber- und Muskelzellen, wird T4 in das aktive Schilddrüsenhormon T3 umgewandelt.

Gesteuert wird die Tätigkeit der Schilddrüse durch den Hypothalamus und die Hirnanhangdrüse. Diese bildet das Hormon TSH (Schilddrüse = Thyroidea (lateinisch) stimulierendes Hormon). Ein Anstieg des TSH veranlasst die Schilddrüse, mehr Schilddrüsenhormone zu bilden, ein Absinken des TSH drosselt hingegen die Hormonproduktion in der Schilddrüse.


Diesen Regelmechanismus möchte man sich bei der Substitution mit Schilddrüsenhormonen zu Nutze machen. Bei der Substitution mit Schilddrüsenhormonen geht man im Allgemeinen von der Annahme aus, dass der TSH-Wert den Bedarf an Schilddrüsenhormonen wiederspiegelt.

Die Substitution mit Schilddrüsenhormonen steht jedoch vor einigen großen Problemen: Es lassen sich zwar Referenzwerte für die Schilddrüsenwerte TSH, ft4 und fT3 im Blut bestimmen, diese bieten für die Schilddrüsenhormonsubstitution jedoch nur eine grobe Orientierung.

    Ältere Menschen (> 70 Jahre) haben höhere TSH-Werte.

Referenzwerte von Laborwerten werden meist in der Weise definiert, dass sich die Werte bei 95 von 100 gesunden Menschen in diesem Bereich befinden. Für die einzelnen Patient*innen gibt es meist jedoch nur einen engeren individuellen Bereich für den TSH-Wert, in dem sie sich wohlfühlen. Am Beispiel eines Einkaufs einer Hose lässt sich dies gut veranschaulichen: Es gibt Konfektionsgrößen von XS bis 4XL für unterschiedlich große Menschen, und die meisten dürften eine Konfektionsgröße von M bis XL benötigen, passen tut dem einzelnen jedoch nur eine Größe, und während die einen sich im Jogginganzug wohlfühlen, fühlen sich andere nur im Maßanzug wohl.

    Eine Hormoneinstellung mit Hilfe der Schilddrüsenwerte im Blut wird zudem noch erschwert, dass es u. a. tageszeitliche Schwankungen des TSH-Wertes gibt. Die höchsten TSH-Werte werden früh morgens erreicht.
    Die Schwankungen betragen ca. 30%. Die Hypophyse schüttet TSH auch nicht gleichmäßig aus, sondern in Schüben. Fasten vermindert die TSH-Ausschüttung, körperliche Belastung kann den TSH-Wert akut erhöhen. Bei Menschen mit einer Schilddrüse kann die Iod zufuhr Einfluss auf den TSH, und ebenso führt Übergewicht zu einem erhöhten TSH-Ausschüttung, die wiederum zurückgeht, bei erfolgreicher Gewichtsreduktion (mehr zum TSH-Wert – Normwert, Referenzwert und Befinden).

Der TSH-Wert ist allerdings unabhängig von der Einnahme der Schilddrüsenmedikamente am Tag der Blutabnahme. Vielmehr braucht es 4 bis 8 Wochen, bis sich eine Dosisänderung auch im TSH-Wert widerspiegelt.

Zur Kontrolle der Schilddrüsenhormonsubstitution wird daher in erster Linie der TSH-Wert und zusätzlich die freien Schilddrüsenwerte fT4 und fT3 im Blut bestimmt. Bei den freien Werten besteht jedoch das Problem, dass es nach der Einnahme der Schilddrüsenhormone es zu einem Anstieg nach 1 bis 4 Stunden kommt, und erst nach 9 Stunden der Ausgangswert wieder erreicht ist. Die meisten Ärzt*innen empfehlen daher am Tag der Blutabnahme die Hormone erst danach einzunehmen.

Inhalt dieses Beitrags


Schilddrüsenhormonpräparate

Welche Schilddrüsenhormonpräparate gibt es?
In Deutschland werden Schilddrüsenhormonprärate durch eine Vielzahl von Herstellern angeboten. Die Präparate unterscheiden sich in der Dosis, in der Zusammensetzung der Füllstoffe (z. B. mit oder ohne Lactose) und in ihrer Bioverfügbarkeit. Aufgrund der unterschiedlichen Bioverfügbarkeit, darf ein Schilddrüsenhormonpräparat in der Apotheke nicht durch ein Präparat eines anderen Herstellers ausgetauscht werden. Im groben unterscheidet man:

  • Reine L-T4-Präparate (als Tablette oder Lösung; in Frankreich, der Schweiz und den USA auch als Weichkapsel)
  • Reine L-T3-Präparate (Tabletten oder Lösung)
  • L-T4/L-T3-Kombipräparate (Tabletten)
  • L-T4-Präparate mit Jod (Tabletten)
  • Präparate aus getrockneten, tierischen Schilddrüsen (Tabletten; Import aus dem Ausland);
    mehr unter: Welche Schilddrüsenhormonpräparate gibt es?

Mit den derzeit verfügbaren Schilddrüsenhormonpräparaten lassen sich Blutwerte wie bei einer gesunden Schilddrüse nicht herstellen.

    Zukünftige Möglichkeiten: retardiertes (verzögert freigesetztes) T3, Langzeit T3

Aufgrund seiner Depot-Wirkung werden für die Substitution L-T4-Präparate bevorzugt. Sie haben den Vorteil, dass nur einmal am Tag eine Tablette genommen werden muss. Wenn einmal ein Gleichgewicht aufgebaut ist, dann findet nur sehr langsam ein Abbau statt. Ein einmaliges Vergessen der Tablette ist daher meist kein Problem. L-T4-Präparate sollen nüchtern, mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück, am besten nur mit einem mineralarmen Wasser (Leitungswasser), eingenommen werden.

    Anfangsdosis:
    Nach einer vollständigen Entfernung der Schilddüse wird als Anfangsdosis 1,6 µg L-T4 pro Kilogramm Körpergewicht empfohlen.
    Aufgrund der Depot-Wirkung von L-T4 ist eine Dosisanpassung nach minimal 3 Woche möglich. Es wird jedoch meist ein Abstand von 4 bis 8 Wochen empfohlen.

Bei bestimmten Schilddrüsenkrebspatient*innen wird zu Beginn eine TSH-Unterdrückung angestrebt (TSH ≤ 0,1 mU/l; siehe auch: FAQ: TSH-Unterdrückung nach Schilddrüsenkrebs)

Aufgrund der unterschiedlichen Bioverfügbarkeiten der verschiedenen Präparate, empfiehlt es sich bei der Dosisanpassung möglichst bei einem Hersteller zu bleiben.

Bei Beschwerden hilft manchmal jedoch auch ein Präparatewechsel (z. B. bei Lactoseintoleranz) oder eine Umstellung auf die Abendeinnahme (siehe Forums-Gruppe: Abendeinnahme von L-Thyroxin (L-T4)).

    In einer Studie wurde die Schilddrüsenhormonaufnahme verglichen zwischen einer Einnahme 30 Minuten vor dem Frühstück und einer Einnahme eine Stunde vor dem Mittagessen. Hier zeigte sich, dass die Schilddrüsenhormone vor dem Mittagessen trotz größerem Abstand schlechter aufgenommen werden. (Alla 2015)

Ca. 5 bis 15 % der Betroffenen haben Probleme mit der reinen T4-Substitution. Hier kann eine Kombination mit einem L-T3-Präparat helfen (siehe Forums-Gruppe: Schilddrüsenhormonsubstitution mit L-T4 + L-T3).

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Beschwerden bei zu viel und zu wenig Schilddrüsenhormonen

Ein weiteres Problem ist, dass sich Beschwerden einer falschen Dosierung manchmal erst sehr verzögert zeigen, so dass sie nicht gleich ursächlich einer Dosisänderung zugeordnet werden. Auch besteht das Problem, dass ein zu viel oder zu wenig an Schilddrüsenhormonen sich nicht bei allen Betroffen in Beschwerden äußern, es jedoch Langzeitfolgen gibt (zu den Problemen einer TSH-Unterdrückung siehe auch: Individualisierte Risikoabwägungen bei der TSH-Unterdrückung)

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Wechselwirkungen mit anderen Präparaten und Nahrungsmitteln

Professor Köhrle schätzt, dass mehr als 100 Substanzen Einfluss auf die Schilddrüsenlaborwerte haben.

Für die Wechselwirkungen gibt es Online-Programme:

Zu beachten ist ferner, dass bestimmte Nahrungsmittel und Medikamente die Aufnahme von L-T4 im Dünndarm hemmen (bei L-T3 bestehen diese Probleme nicht). Es ist daher auf ein zeitlichen Abstand zur Einnahme der Schilddrüsenhormone zu achten und gegebenenfalls die Schilddrüsenhormondosis anzupassen:

  • Nahrungsmittel, die die Aufnahme von L-T4 hemmen:

  • Medikamente, die die Aufnahme von L-T4 hemmen:
    • Kalzium (Calcium)
    • Magnesium,
    • Zink,
    • Eisen,
    • aluminiumhaltige Präparate (Antazida, Sucralfat)
      (Präparate mit den oben angeführten Kationen sollen mindestens 2 Stunden später genommen werden)
    • Gallensäurebinder (Colesevelam, Colestyramin; bis zu 4 bis 5 Stunden nach L-T4 (Janssen 2016; S.142))
    • Colestipol (Janssen 2016; S.142))
    • Säureblocker Protonenpumpeninhibitoren können im Zusammenhang mit einer Gastritis die Aufnahmen hemmen, daher immer die Schildddrüsenwerte kontorllieren lassen und gegebenenfalls die Dosis anpassen. Ausführlicher dazu: Protonenpumpenhemmer und L-Thyoxin?

Andere Medikamente stören die Umwandlung von T4 in T3:

Und dann gibt es noch Medikamente und Nahrungsmittel, die die Bindung der Schilddrüsenhormone an TBG beeinflussen:

  • Folgende Medikamente/Krankheiten erhöhen die Bindung an TBG bzw. führen zu einem Anstieg von TBG; dadurch kommt es zu einem vorübergehenden höheren Bedarf an L-T4, da der vergrößerte Speicher zunächst aufgefüllt wird:
  • Folgende Medikamente/Krankheiten verringern die Bindung an TBG führen zu einer Erhöhung der freien Schilddrüsenwerte:
    • Salicylate (Salicylate sind „unter anderem in Form von Tabletten, Kautabletten, Brausetabletten, als Pulver, Granulate, Gele, Emgele, Cremen, Salben im Handel (Auswahl). Das mit Abstand bekannteste Salicylat ist die Acetylsalicylsäure“ Salicylate kommen auch in Nahrungsmitteln vor (PharmaWiki; Download 18.12.2018]
    • Furosemid (Gelbe Liste)
    • Phenytoin (Gelbe Liste)
    • Carbamazepin
    • nicht steroidale, antiinflammatorische Substanzen
    • Heparin
      (Köhrle 2016; S.61)

Niedrige TBG-Konzentrationen können bewirkt werden durch:

  • Androgene
  • Anabolika
  • Glukokortikoide
  • Nikotinsäure
  • Leberversagen
  • Nierenfunktionsstörungen
  • schwere Allgemeinerkrankungen
    Eine Verringerung von TBG hat den größten Einfluss auf die Menge an der Gesamtmenge als auch der freien Schilddrüsenhormone im Blut (Quelle: Köhrle 2016; S.61, mit Verweis auf AAEC 2012: Leitlinie Hypothyreose)

Außerdem kann die Wirkung von anderen Medikamenten durch L-T4 beeinflusst werden:

  • Verstärkung der Wirkung von Cumarinderivaten
  • Verringerung der Wirkung von blutzuckersenkenden Medikamenten

Die Dosis der blutgerinnungshemmenden bzw. blutzuckersenkenden Medikamente muss daher unter einer L-T4-Substitution gegebenenfalls angepasst werden (Janssen 2016, S. 144f)

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