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Bericht Symposium: Lebensqualität von SD-Krebs-Betroffenen

Bericht Symposium: Lebensqualität von SD-Krebs-Betroffenen

| Beitrags-ID: 259831

Hauptbeitrag:

[Dieser Beitrag erschien auch in kürzer und in etwas anderer Form in unserem www.sd-krebs.de – OFFLINE, Nr. 23, Dezember 2019]

Bericht:

Seien Sie froh, dass es Schilddrüsenkrebs ist!

Symposium zum Thema Lebensqualität von Schilddrüsenkrebspatient*innen
Samstag, 26. Oktober 2019, in Berlin
per Videoabruf für ein Jahr:
www.sd-krebs.de/20Jahre-Video

Leider immer noch bekommen Betroffene mit der Diagnose Schilddrüsenkrebs im Aufklärungsgespräch diese oder ähnliche Aussagen zu hören: „Seien Sie froh, dass es Schilddrüsenkrebs ist!

Beruhigend durch die Ärzt*innen gemeint, verkennt diese Aussage, dass auch, wenn Schilddrüsenkrebs in der Regel gut durch Operation und gegebenenfalls mit einer Radioiodtherapie (RIT) zu therapieren ist, eine Krankheit ist, und ein Leben ohne Schilddrüse die Lebensqualität erheblich beinträchtigen kann.

Aus Anlass von 20 Jahre Selbsthilfe Schilddrüsenkrebs hat der Bundesverband Schilddrüsenkrebs – Ohne Schilddrüse leben e.V. ein Symposium zum Thema Lebensqualität von Schilddrüsenkrebspatient*innen, in Berlin, organisiert. Betroffene und namhafte Expert*innen diskutierten unterschiedliche Aspekte wie Selbsthilfe wirken kann, u. a.: Wie Selbsthilfe nach innen wirkt und die Lebensqualität der Betroffenen durch den Erfahrungsaustausch verbessern kann. Oder wie Selbsthilfe nach außen wirkt, indem sie auf Probleme der Betroffenen aufmerksam macht.

So betonten Betroffene als auch die Expert*innen in den Podiumsdiskussionen, dass Aspekte der Lebensqualität und die verschiedenen Nebenwirkungen der Therapien – u. a. auch die Nebenschilddrüsenunterfunkton (Hypoparathyreoidismus) – stärker in den Behandlungsleitlinien und im Aufklärungsgespräch berücksichtigt werden müssen.

Der Bundesverband hat für Betroffene und Ärzt*innen dafür zahlreiches Infomaterial in den letzten 20 Jahren entwickelt: www.sd-krebs.de/infomaterial

Eindrucksvoll schilderten Leiter*innen und Mitglieder von Selbsthilfegruppen und des Selbsthilfe-Forums des Bundesverbandes, ihre Beschwerden und Probleme. Informationen und der Erfahrungsaustausch haben ihnen dabei geholfen, eine bessere Lebensqualität wieder zu bekommen. Als informierte Patient*innen erlangen sie in der gemeinsamen Entscheidungsfindung mit den behandelnden Ärzt*innen wieder Kontrolle über das weitere Vorgehen. Dieses Kontrollempfinden trägt entscheidend zum Wohlbefinden der Betroffenen bei, wie Anne-Kathrin Kleine, M.Sc. Psychologie, von der Universität Groningen und Leipzig in Ihrem Input-Referat betonte.

Wie wichtig gute Informationen und ein guter Erfahrungsaustausch sind zeigt sich sowohl bei Betroffenen, die sich unnötigen Therapien unterzogen haben als auch bei Betroffenen mit dem fortgeschrittenen Schilddrüsenkarzinom. So hadern insbesondere Betroffenen, die sich einer unnötigen Therapie unterzogen haben, mit den Folgen und Nebenwirkrungen von Operation und Radioiodtherapie.

Welche Patient*innen brauchen welche Therapie? Nur selten gibt die Wissenschaft eindeutige Antworten.

Mit neuen pathologischen Kriterien in der Diagnostik, werden seit 2016 bestimmte Tumore der Schilddrüse nun nicht mehr als Karzinom bezeichnet, sondern als NIFTP (=noninvasive follicular thyroid neoplasm with papillary-like nuclear features), da gezeigt werden konnte, dass von diesen Tumoren nach chirurgischer Entfernung keine Gefahr mehr ausgeht. Betroffene mit diesem Tumor – auch wenn dies nur einen kleinen Teil aller Betroffenen ausmacht – müssen so nicht mehr der psychologischen Belastung einer Krebsdiagnose ausgesetzt werden.
Für einen Großteil der Betroffenen mit der Diagnose Schilddrüsenkarzinom bleibt jedoch weiterhin die Frage offen, ob sie einer aggressiven Therapie bedürfen oder eher nicht. Den glücklicher weise wenigen Betroffenen aus 20 Jahre Selbsthilfe Schilddrüsenkrebs, die am Schilddrüsenkrebs bzw. an einem anderen Krebs oder einer anderen Krankheit, infolge der Therapien, verstorben sind, wurde an dieser Stelle sowie im Foyer des Tagungshauses gedacht.

Für die Abwägung von Nutzen und Risiken von Therapien braucht es gute Studien.

In einem Input-Vortrag von Professor Matthias Schmidt von der Nuklearmedizinischen Klinik der Universitätsklinik Köln wurde sehr deutlich, dass es keine guten Studien für den Nutzen der adjuvanten Radioiodtherapie gibt, da bei diesem langsam wachsenden Krebs ein Nutzen möglicher Weise erst nach 10 und mehr Jahren nachweisbar ist. Schmidt betonte, dass an seiner Klinik zusammen mit anderen Kliniken ein entsprechendes Register aufgebaut werden soll, so dass – wenn auch noch in ferner Zukunft – bessere Daten zur Verfügung stehen. Für die derzeitige Entscheidungsfindung, ob eine adjuvante Radioiodtherapie durchgeführt werden soll, braucht es daher heute Patient*innen, die über die Unsicherheiten der Studienlage als auch über möglichen Nutzen und Schaden der Radioiodtherapie informiert sind.

Das gesamte Symposium wurde per Livestream im Internet übertragen um Betroffene, die nicht die Möglichkeit hatten in Berlin beim Symposium dabei zu sein, an dieser Veranstaltung teilhaben zu lassen. In der letzten Diskussionsrunde wurden zudem zwei Betroffene mit dem fortgeschrittenen Schilddrüsenkarzinom per Telefon zugeschaltet. Beide konnten aus gesundheitlichen Gründen nicht vor Ort sein. Sie nehmen seit Jahren bzw. seit mehreren Jahren Tyrosinkinase-Inhibitoren bzw. zusätzlich Immuntherapie zu sich. Diese neuen Therapien können den Krebs zwar nicht heilen, hindern ihn jedoch am weiteren Wachstum. Die Nebenwirkungen dieser neuen Therapien sind unter den Betroffenen sehr gefürchtet, da dadurch ein deutlicher Verlust an Lebensqualität einhergeht. Die Betroffenen zeigten in ihren Telefonbeiträgen jedoch ein differenzierteres Bild auf: Ja diese neuen Therapien rauben Lebensqualität für bestimmte Tage, auf der anderen Seite geben sie aber auch wieder neue Lebensqualität, wenn die Tumore durch die Therapien schrumpfen, und so z. B. die Flüssigkeitsproduktion durch die Metastasen in der Pleura versiegt. Ingrid Techlin – Mitglied im Bundesvorstand und selbst Betroffene – ergänzte dieses Bild und erläuterte ihre Entscheidung vorerst auf diese neuen Therapien zu verzichten, und ihre Knochenmetastasen nur palliativ durch eine Strahlentherapie zu behandeln. Da sie sich damit eine bessere Lebensqualität erhofft.



Fazit dieser Veranstaltung:
Patient*innen brauchen gute Gesundheitsinformationen und einen lebhaften Erfahrungsaustausch, um gemeinsam mit ihren Behandler*innen in ausgewiesenen Zentren eine für sie individuell gute Entscheidung treffen zu können. Diese gemeinsame informierte Entscheidung trägt zum Wohlbefinden und zur Lebensqualität der Betroffenen erheblich bei.

Es wurde als Ausklang dieser Veranstaltung bis in die Morgenstunden im ausgebuchten Ballhaus Berlin getanzt und sich unter den Teilnehmer*innen weiter ausgetauscht. (Bericht vom Fest)

Der Bundesverband Schilddrüsenkrebs – Ohne Schilddrüse leben e.V. hat mit diesem Symposium nicht nur eindrucksvoll seine Arbeit und Projekte in den letzten 20 Jahren präsentiert, sondern gleichzeitig mit diesem Symposium die zu bearbeitenden Problemfelder in der künftigen S3-Leitlinie Schilddrüsenkarzinom aufgezeigt.

Das Symposium wurde per Livestream im Internet übertragen und ist nun für ein Jahr per Videoabruf verfügbar: www.sd-krebs.de/20Jahre-Video

Das Symposium wurde gefördert durch die Stiftung Deutsche Krebshilfe und nach § 20h SGB V durch den AOK Bundesverband.

[Dieser Beitrag erschien auch in kürzer und in etwas anderer Form in unserem www.sd-krebs.de – OFFLINE, Nr. 23, Dezember 2019]

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