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Leitlinien und Evidenz

Leitlinien sind Empfehlungen

Leitlinien sind Empfehlungen. Diese beruhen auf guten und weniger guten Studien, aber auch Expertenerfahrungen. Sie sollen Ärzten (und Patienten) bei der Entscheidungsfindung für oder gegen eine Therapie eine Hilfe sein. Im Gegensatz zu Richtlinien sind Leitlinien rechtlich nicht bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung.

Eine Abweichung von einer Leitlinie ist kein Behandlungsfehler. Es kann gute Gründe geben, warum ein Arzt von einer Empfehlung in einer Leitlinie abweichen möchte. Der Arzt ist dann verpflichtet, den Patienten über die Empfehlungen einer Leitlinie aufzuklären, und er muss bei einer Abweichung von dieser Empfehlung, dies dem Patienten erklären und mit ihm besprechen.

Qualität von Leitlinien

Es gibt verschiedene Verfahren, eine Leitlinie zu erstellen. Anhand des Verfahrens und auf welchen Erkenntnisgraden die Empfehlungen beruhen, lassen sich Leitlinien klassifizieren. In Deutschland werden Leitlinien durch die Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Fachgesellschaften (AWMF) betreut und klassifiziert: S1, S2, S3 (= höchstes Niveau).

Die Klassifikation einer Leitlinie sagt allerdings nichts über den Evidenzgrad einer einzelnen Empfehlung aus.
Weiterführende Informationen unter: Forenthema: FAQ: Was ist eine Leitlinie? Was ist eine Richtlinie?

Patienten-Leitlinien sind laienverständliche Überarbeitungen dieser fachspezifischen Leitlinien.

Nicht für alle Krankheiten gibt es deutsche (Patienten-)Leitlinien. Es empfiehlt sich, dann einen Blick auf internationale Leitlinien zu werfen.

Erkenntnisgrade (= Evidenzgrade)

Eine Empfehlung in einer Leitlinie kann auf unterschiedlichen Erkenntnisgraden (= Evidenzgraden) beruhen. Der niedrigste Erkenntnisgrad ist die Erfahrung eines Arztes, der viele Patienten mit gleichen Krankheiten behandelt. Viele schulmedizinische (und erst recht viele alternativen) Therapien wurden nie systematisch mit Studien untersucht, weil man mit ihnen ‚gute‘ Erfahrungen gemacht hat. Dass diese scheinbar ‚guten‘ Erfahrungen auch trügerisch sein können, zeigt sich, wenn diese dann doch einmal systematisch untersucht werden.

Den höchsten Erkenntnis– bzw. Evidenzgrad erreicht man mit Studien, in denen zwei verschiedene Therapien verglichen werden und zu Beginn weder Arzt noch Patient wissen, wer welche Therapie bekommt. Auch werden die Patienten per Zufall der einen oder anderen Gruppe zugeordnet werden (= doppel-verblindete, randomisierte, kontrollierte Studien = Randomized Controlled Trial =RCT). Nicht immer lassen sich solche Studien durchführen.

Bei der Schilddrüse und beim Schilddrüsenkrebs stehen Ärzte oftmals vor dem Problem, dass eine Wirksamkeit oder auch ein Schaden einer Therapie oftmals erst nach mehreren Jahren, gar Jahrzehnten über die Auswertung von Patientendaten im Nachhinein (=retrospektiv) feststellbar ist. Die Auswertung von retrospektiven Daten, ist zwar in der Evidenz etwas höher als die Expertenerfahrung zu werten, allerdings lassen sich dadurch keine eindeutigen Zusammenhänge erklären.

Eine weitere Möglichkeit, dieses Zeitproblem etwas in den Griff zu bekommen, ist, Studien zu planen, bei denen zu Beginn (=prospektiv) festgelegt wird, welche Therapie angewendet wird, und der Erfolg wird dann über Surrogatparameter kontrolliert.

Surrogatparameter

Surrogatparameter (Surrogatmarker) sind Blutwerte oder auch andere diagnostische Parameter, mit denen Mediziner versuchen, den Ausbruch einer Krankheit vorherzusagen, den Verlauf und die Schwere einer Krankheit zu beschreiben oder auch den Erfolg einer Behandlung zu kontrollieren. Dieses Ansinnen ist sehr vernünftig, wenn es sich um langsam fortschreitende Krankheiten handelt und wenn durch die Kontrolle der Surrogatparameter weniger invasive und körperlich belastende diagnostische und therapeutische Behandlungen vermieden werden.

Surrogatparameter werden durch die moderne Evidenz-basierte Medizin (EBM) zum Teil heftig kritisiert, weil sie oftmals nicht mit dem wirklichen Krankheitsverlauf übereinstimmen und Patienten übertherapiert werden.

Alle Schilddrüsenwerte im Blut (TSHfT4fT3, …) sind Surrogatparameter. Sehr deutlich ist dies bei den freien Schilddrüsenwerten fT4 und fT3 zu sehen, deren eigentliche Wirkung in den einzelnen Körperzellen von Herz, Hirn, Haut, usw. stattfindet und nicht im Blut (siehe Wiki: Wirkung des Schilddrüsenhormone in den Zellen (Kap. 2.2.) in Mit Schilddrüsenhormonen leben). Eine Untersuchung dieser Zellen zu diagnostischen Zwecken ist jedoch wesentlich eingreifender (= invasiv) als die Bestimmung dieser Surrogatparameter im Blut. Studien sollten daher immer auch die Lebensqualität der Patient*innen untersuchen. Und bei der Betrachtung der Blutwerte eines Menschen muss immer auch das Befinden und die Beschwerden des Menschen mit einbezogen werden.

Nächstes Kapitel

nächstes Kapitel: 1.3. Risiken verstehen in der Broschüre: Knoten der Schilddrüse und ihre Behandlung (Inhaltsverzeichnis)

nächstes Kapitel: 1.3. Erfahrungsberichte in der Broschüre: Mit Schilddrüsenhormonen leben! (Inhaltsverzeichnis)

Ausführungen zu Leitlinien und Evidenz befinden sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten sowohl in der Broschüre (jeweils Kapitel 1.2.):

Titel der Broschüre Knoten der Schilddrüse. Es werden anhand einer Grafik Sensitivität, Spezifität und ihre Auswirkung bei seltenen Krankheiten wie Schilddrüsenkrebs auf falsch positive und negative Befunde.

Knoten der Schilddrüse und ihre Behandlung
Beobachten oder behandeln/operieren?

(Inhaltsverzeichnis)
Berlin, 2013 (10. Auflage im Dezember 2022)


Titelbild der Broschüre: Mit Schilddrüsenhormonen leben!

sowie in unserer Broschüre:
Mit Schilddrüsenhormonen leben.
Ein Ratgeber, was bei der Einnahme von Schilddrüsenhormonen zu beachten ist.

(Inhaltsverzeichnis)
Berlin, 2020

Über das jeweilige Inhaltsverzeichnis kommt man zu den einzelnen Kapiteln der Broschüre.
Diese Broschüren sowie anderes Infomaterial ist auch kostenlos über die Geschäftsstelle zu beziehen.


Autor: Harald | Arbeitsgruppe: Arbeitsgruppe Knoten der Schilddrüse und benigne Schilddrüsenerkrankungen | Letzte Aktualisierung: 04.09.2023 von Harald W-Nummer: 423004

Was ist eine Leitlinie?

Leitlinien geben Empfehlungen für die Behandlung, der Arzt muss aber nicht danach handeln. Falls er eine andere Behandlung macht, muss er erklären, warum er von der Empfehlung abweicht.

Manchen Empfehlungen in einer Leitlinie liegen große Studien mit hoher Datenqualität zu Grunde.

Anderen Empfehlungen liegen nur wenige Studiendaten zu Grunde.
Die Datenlage und auch Datenqualität wird zu den jeweiligen Empfehlungen in den Leitlinien bewertet (Evidenzgrad).

Patienten-Leitlinien

Neben Leitlinien für Ärzte gibt es auch allgemein verständliche Leitlinien für Patienten.


Autor: Harald | Arbeitsgruppe: Arbeitsgruppe Knoten der Schilddrüse und benigne Schilddrüsenerkrankungen | Letzte Aktualisierung: 04.09.2023 von Harald W-Nummer: 423004

Broschüre: Knoten der Schilddrüse und ihre Behandlung

Titel der Broschüre Knoten der Schilddrüse. Es werden anhand einer Grafik Sensitivität, Spezifität und ihre Auswirkung bei seltenen Krankheiten wie Schilddrüsenkrebs auf falsch positive und negative Befunde.
  • nächstes Kapitel: Risiken verstehen in der Broschüre: Knoten der Schilddrüse und ihre Behandlung

Broschüre: Mit Schilddrüsenhormonen leben!

Titelbild der Broschüre: Mit Schilddrüsenhormonen leben!

Über das jeweilige Inhaltsverzeichnis kommt man zu den einzelnen Kapiteln der Broschüre.
Diese Broschüren sowie anderes Infomaterial ist auch kostenlos über die Geschäftsstelle zu beziehen.


Autor: Harald | Arbeitsgruppe: Arbeitsgruppe Knoten der Schilddrüse und benigne Schilddrüsenerkrankungen | Letzte Aktualisierung: 04.09.2023 von Harald W-Nummer: 423004

Leitlinien (englisch: Guideline)

sind nur Empfehlungen (engl.: Recommendation), von der mit Begründung abgewichen werden kann; siehe

Leitlinien zu bestimmten Therapien/Diagnosen:

Evidenz-basierte Medizin (EbM)

Evidenz

bedeutet wörtlich unmittelbare, unbezweifelbare Einsicht. In der Medizin wird der Begriff jedoch benutzt im Sinne, durch Studien nachgewiesener Nutzen. Die Qualität der Studien kann dabei unterschiedlich sein. Ergebnisse von Studien können dabei immer wieder durch qualitativ bessere Studien hinterfragt werden.

Glossar: Evidenz
Grafik zur Veranschaulichung von evidenz-basierter Medzin: Basierend auf den Daten von externer Evidenz (Studein), fällt der Patient auf Basis seiner Erwartngen und Werte mit Hilfe der individuellen Expertise der Behandelnden seine Entscheidung, welche wiederum zurückwirkt auf das Studiendesign künfitger Studien

Das Konzept der Evidenz-basierten Medizin geht von der best möglichen externen Evidenz aus (siehe unten Qualität von Studien) berücksichtigt die Erwartungen und Werte der Patient*innen und kommt mit Hilfe der individuellen Expertise der behandelnden Ärzt*innen zu einer Entscheidung, welcher wiederum auf das Studiendesign künftiger Studien zurückwirkt.

Qualität von Studien

Phasen klinischer Studien

Phase I = Verträglichkeit und Sicherheit des Medikaments wird an einer kleinen Gruppe von Menschen (20-80)
geprüft. Das Risiko gefährlicher Nebenwirkungen soll damit ausgeschlossen werden. Es wird die maximal tolerierbare Dosis (MTD) bestimmt.
Phase II = Suche nach einer geeigneten wirksamen Dosis. Positive Wirkungen des Medikaments sollen gefunden werden. In der Regel 100-300 Patient*innen in der Studie.
Phase III = Studie, um eine Zulassung zu bekommen. Hierzu muss die bessere Wirksamkeit im Vergleich zu einem Scheinmedikament (Placebo) oder im Vergleich zu einer Standardtherapie nachgewiesen werden. In der Regel 1.000 bis 3.000 Patient*innen in der Studie.
Phase IV = Studien mit einer sehr großen Zahl von Patient*innen, um z.B. sehr seltene Nebenwirkungen zu finden.

Glossar: Phasen klinischer Studien


Autor: Harald | Arbeitsgruppe: Arbeitsgruppe Knoten der Schilddrüse und benigne Schilddrüsenerkrankungen | Letzte Aktualisierung: 04.09.2023 von Harald W-Nummer: 423004

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