Achtung

Ratschläge auf der Website können keinen Arztbesuch ersetzen
Okay
InSeNSU
Moderator
Basedow, Hypoparathyreoidismus

Antwort auf: Frage Nr.1 Kalziummangel wann ?

| Beitrags-ID: 327628

Hallo zusammen,

Hyperventilation, also mehr ein- als ausatmen, führt zu einer VORÜBERGEHENDEN Veränderung des Blutsäuregehaltes (Alkalose). Dadurch sinkt die Menge aktives (ionisiertes) Calcium und es ist mehr gebundenes (nicht wirkendes) Calcium im Blut. Es kribbelt, etc. Wenn sich die Atmung normalisiert, hört das wieder auf. So ist das bei einem normalen Gesamtcalciumwert im Blut.

So eine „Hyperventilationstetanie“ kommt vor allem bei jungen Frauen in Stress-Situationen vor. Es besteht vom Symptombild nun natürlich Verwechslungsgefahr. Ein Notarzt würde bei Krämpfen sicher immer eher auf Hyperventilation tippen. Dann gibt es Beruhigungsmittel oder Atmen in eine Tüte als Gegenmaßnahme. Bei niedrigem Gesamtcalcium hilft das aber nicht. Deshalb sollte man immer den Notfallausweis bei sich haben, als Beleg, dass die Lage in unserem Fall etwas problematischer ist.

Leider kommt bei Hypoparas oft ein Gemisch aus beiden Problemen vor. Wer nur ein Gesamtcalcium von 2,1 hat bekommt natürlich viel schneller das Hyperventilationsproblem als jemand, der mit satten 2,5 mmol/l Gesamtcalcium unterwegs ist. Die kritische Grenze für das ionisierte Calcium bleibt ja die gleiche.

Wenn man (ganz grob gerechnet, nur als Beispiel!) davon ausgeht, dass normalerweise die Hälfe Calcium ionisiert vorliegt und tetanische Symptome ab einem ionisierten Calcium von 1,0 auftreten, sieht man: Der Gesund hat hier eine Reserve von ionisiert 1,25, der Hypopara nur 1,05. Da wird schnell klar, wer sich mehr Hyperventilation „erlauben“ kann, bevor es kritisch wird.

Als Hypopara muss man lernen, genau die von Mamabu beschriebene Angstspirale abzubrechen: Es kribbelt – ich bekomme Angst – ich atme anders – es kribbelt mehr – ich bekomme mehr Angst – nun krampfen vielleicht noch die Atemwege etwas – ich bekomme Panik, atme noch hastiger …

Wie Tuvok schon richtig anmerkt: Die Gefahr eines „Totalabsturzes“ besteht höchstens in der Anfangszeit, wenn die Einstellung noch schlecht oder die medikamentöse Versorgung ganz unzureichend ist. Wer schon länger mit Rocaltrol u.ä. und Calcium versorgt wird, muss schon ziemlich viel Pech (z.B. längere Magen-Darm-Grippe) haben, bevor es kritisch werden kann. Die eine oder andere Schwankung (durch den weibl. Zyklus, körperliche Anstrengung, Schwitzen, usw.) auszugleichen, lernt man mit der Zeit.

PTH hat den Calciumpegel ganz fein nach Bedarf reguliert, von Hand können wir es leider nur grob. Eine feste Tagesdosis Vitamin-D-Präparat und eine Calciumdosis mit ein wenig Spielraum nach oben und unten (nur beim erfahrenen Hypopara auch mal ohne Absprache mit dem Arzt) ist das, womit wir nun mal klarkommen müssen.

Und wenn die „Angstspirale“ droht: Beruhigen oder Ablenken durch Gespräche, Musik, ein gutes Buch, TV, -jeder findet da mit der Zeit seine persönlichen Tricks. Vor allem in der Anfangszeit nicht bei jedem Kribbeln noch mehr Calcium, nicht bei jedem sonstigen Mißempfinden schnell eine Calciumbrause nehmen. Sonst „programmiert“ man sich so, dass man sich auf dieses Problem total fixiert. Selbst wenn gar kein Calciummangel Schuld ist, kann Calcium dann „Placebo-Wirkung“ entfalten. Schlimmstenfalls führt das zu dauernder Überversorgung mit Calcium, die zu viel Calciumausscheidung im Urin und Nierenstein-Gefahr bringen kann.

Nicht jedes Problem liegt am Calciummangel. Gute Einstellung der Schilddrüsenwerte, kein Eisenmangel, kein Vit.-B12-Mangel, kein Magnesiummangel oder Kaliummangel und kein zu hoher Phosphatwert sind genauso wichtig.

Leider können wir nicht wie die Diabetiker per Fingerpieks selbst den Calciumwert messen. Ein entsprechendes Gerät für ionisiertes Calcium gibt es zwar, das ist aber es sehr groß und kostet einige tausend Euro. Es ist für Notfallmediziner konzipiert. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als einen Hausarzt zu finden, der bei Bedarf auch mal zwischendurch einen Calciumwert rausrückt, bis wir die Sache weitestgehend „im Gefühl“ haben.

Dass man mit Hypopara durchaus (einigermaßen) normal leben und arbeiten kann, beweisen viele erfahrene Hypoparas hier im Forum. Es ist auch eine Frage der Geduld… 😉
Die wünscht euch allen weiterhin
Frauke