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Antwort auf: Corona App – würdet ihr sie nutzen?

| Beitrags-ID: 388585

Hallo Elke,
(liebe Mitleser*innen,)

ich habe dir widersprochen und tue es immer noch, weil du die Zahl der Toten, die in Deutschland bislang am Cornavirus verstorben sind, und die Gefahr die durch den Coronavirus ausgeht, versuchst zu relativieren, mit einem Zahlenvergleichen, den man so nicht machen kann.

Wir sind fast 8 Milliarden Menschen auf der Welt. Davon sind jetzt 270tausend gestorben.
DE hat 82 Millionen Einwohner, davon sind 7500 gestorben. Schlimm jeder Einzelfall, aber schaut bitte mal nach, wie viele Menschen sich allein in DE mit Krankenhauskeimen infizieren und an den Infektionen sterben.

https://www.rki.de/DE/Content/Service/Presse/Pressemitteilungen/2019/14_2019.html

Und das kann man nicht machen, weil man zwei Dinge nicht weiß:

  • 1.)

    Niemand weiß, wie hoch die Infektions- geschweige denn die Immunitätsrate ist. Dafür müssten erstmal alle getestet werden.

    Stimme voll zu.

  • 2.) Wie hoch die Zahl gewesen wäre, wenn man keinen Lockdown gemacht hätte.

Natürlich treibt auch mich die Frage um, es sterben jedes Jahr wesentlich mehr Menschen, an Krebs, Herzinfarkten, usw. usf.; ist dies alles verhältnismäßig.
Nur diesen Vergleich kann man aus den obigen Gründen nicht machen, so lange wir diese Informationen nicht haben.

Die Süddeutsche Zeitung (18.5.2020) weist heute auf eine Studie im British Medical Journal hin:

    Use of all cause mortality to quantify the consequences of covid-19 in Nembro, Lombardy: descriptive study
    BMJ 2020; 369 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.m1835 (Published 14 May 2020) Cite this as: BMJ 2020;369:m1835
    Diese Studie ist frei zugänglich.

Forscher aus London und Berlin haben sich dabei, die am stärksten Betroffene Kleinstadt Nembro (11.505 Einwohner am 1.1.2020; ein Vorort von Bergamo) in Nord Italien angeschaut, in der der Virus lange Zeit sich unbemerkt verbreiten konnte.

Die Forscher haben sich die Sozialstruktur, die Krankheiten und die medizinische Versorgung sowie speziell die Todesrate der letzten 8 Jahre von Nembro angeschaut.

Am eindrucksvollsten ist die grafische Darstellung der Todesrate von 2012 bis zum 10. April 2020, da hier auch all die Toten aufgeführt sind, die normalerweise, an Krebs, Herzinfarkt, Auto- und Hausarbeitsunfällen etc. ihr Leben verloren haben.

https://www.bmj.com/content/bmj/369/bmj.m1835/F3.large.jpg?width=800&height=600

Auch mit diesem Beispiel aus Noritalien, wissen wir immer noch nicht, ob in Nembro alle nun schon mal Kontakt mit dem Virus hatten (es also eventuell noch schlimmer kommen kann oder ob es damit vorbei ist). Ein LockDown (Schulschließungen, Absage von größeren Veranstaltungen, …) wurde in Nembro ab dem 23.Februar durchgeführt.

Was man jedoch jetzt generell machen kann ist zu schauen, wie sich welche Maßnahme wie ausgewirkt haben.

Unsere Landesregierungen (und Landesparlamente) haben ja auch unterschiedliche Maßnahmen zur Eindämmung des Virus getroffen und Lockern nun ja auch ganz unterschiedlich die Einschränkungen, weil sie ja ganz unterschiedlich Betroffen sind.

Ein Vergleich, was wie gewirkt hat, ist jedoch selten einfach zu bewerkstelligen, sondern bedarf meist der Berücksichtigung einer Vielzahl von Faktoren.

Z.B. Oft wird behauptet, in Schweden habe es kein Lockdown gegeben; das stimmt so nicht, genau so wie sich die Lockdowns, von Italien, Frankreich, Deutschland usw. nicht so ohne weiteres miteinander vergleichen lassen.
Die Durchführung des Lockdowns war jeweils anders oder zu anderen Zeitpunkten (entweder weil man nicht wusste, dass der Virus schon da ist – Italien, Frankreich, Spanien; oder weil man die Gefahr als gering einschätzte: Großbritannien und den Lockdown erst sehr spät durchführte), und es gibt eine Vielzahl von Unterschieden, die über die Medien immer nur teilweise auch kommuniziert werden können.

Im Vergleich zu Italien und Frankreich hatten wir ein sehr moderaten Lockdown; allerdings hatten wir das Glück, dass wir von den Katastrophen in Nord Italien und im Elsass wussten, so dass viele von sich aus schon auf Soziale Distanz gegangen sind, bevor von der Kanzlerin am 18.3. der Lockdown verkündet wurde (ich habe damals innerlich gesagt: endlich; zuvor galten schon auf Länderebenen diverse Einschränkungen)
Und vielleicht hat ja unsere German Angst uns ja eher vor Schlimmerem bewahrt als der LockDown im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten (Stand heute):

  • Belgien 79,5 Tote pro 100.000 Einwohner
  • Italien 52,8 Tote (Nur der Norden ist betroffen; im Süden konnte sich der Virus, dank des Lockdowns nicht/kaum ausbreiten); Bestätigte Covid-19-Todesfälle gab es in Nembro bis 11.April 85 (die obige Studie geht von einer wesentlich höheren Zahl von Covid-19-Toten aus): das entspricht ca. 738,8 Tote pro 100.000 Einwohner
  • Großbritannien 52,2 Tote
  • Frankreich 42,0 Tote
  • Schweden 36,3 Tote
  • Deutschland 9,7 Tote
    Bezogen auf die Landkreise in D reicht die Spanne von 149 Tote (Tirschenreuth) bis 0 Tote (einige Landkreise) pro 100.000 Einwohner (Quelle Tagesspiegel Coronavirus Live

Das schrittweise (!) und langsame (!) Lockern der Einschränkungen, bietet nun die Chance zu schauen, welche Maßnahmen sinnvoll waren und sind, und welche unnütz.
Bislang bleiben die Neuinfektionen erfreulicherweise auf einem niedrigen Niveau.
Zu glauben alles sei schon vorbei, halte ich jedoch angesichts der obigen angeführten Zahlen für einen gefährlichen Trugschluss.

Auf der anderen Seite sollte die Angst/der Respekt vor dem Virus auch nicht so groß sein, dass notwendige Arztbesuche aus Angst vor Ansteckung unterlassen werden.
siehe Gelbe-Liste: COVID-19: Risikoabwägung bei Krebspatienten (11.5.2020 ; Autorin: Friederike Klein)

Wie man hier zu guten Balance kommt?

Meine Bitte:

    Achtet weiter auf die Hygiene-Regeln!

Ich würde übrigens auch die APP-Nutzen wollen, wenn sie vorübergehend (!) nicht unseren strengen Datenschutz regeln entspricht, lieber jetzt als in x-Monaten;
Auf der anderen Seite verstehe ich allerdings auch die Notwendigkeit einer Datenschutz konformen APP zu machen, da sie in Deutschland wirklich nur funktionieren wird, wenn die Leute sie freiwillig benutzen, und zwar immer und gerade dann auch, wenn es sozial problematisch ist.

Viele Grüße
Harald

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