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Antwort auf: Online-Befragung zur Versorgung und Lebensqualität von Hypoparas – Ergebnisse

| Beitrags-ID: 416900

Hypoparas haben einen hohen Informationsbedarf

Ergebnisse einer Online-Befragung aus dem Jahr 2021             

[Dieser Beitrag erschien in unserem www.sd-krebs.de – OFFLINE, Nr. 27, Juni 2022]

Nach einem Vortrag zum Thema Lebensqualität von Betroffenen mit Hypoparathyreoidismus beim Bundestreffen des Netzwerkes Hypopara im Mai 2019 (siehe OFFLINE Nr. 22 bzw. 382555) kam zum ersten Mal die Idee auf, die Versorgungssituation und Lebensqualität von Betroffenen mit Hypopara in Deutschland zu untersuchen. Bisher sind diese Bereiche in Deutschland kaum wissenschaftlich untersucht. Im August 2019 folgte die erste Kontaktaufnahme mit dem Netzwerk Hypopara bezüglich einer möglichen Online-Umfrage. Diese sollte noch um die Bereiche „Informations-bedarf“ und „Einschrän-kungen des alltäglichen Lebens“ erweitert werden. Beim Symposium zu „20 Jahre Selbsthilfe Schilddrüsenkrebs“ im Oktober 2019 (siehe OFFLINE, Nr. 23 bzw. 258382) wurde die Idee der Onlinebefragung zum ersten Mal mit Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN) und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) besprochen. Das Netzwerk Hypopara, die DGN und die DGE wurden zu wichtigen Unterstützern des Projektes.

Nach einer kurzen Pilotierungsphase war der Fragebogen von Oktober 2020 bis Oktober 2021 online verfügbar. Betroffene mit Hypopara wurden über das Netzwerk Hypopara, die Fachgesellschaften und interessierte Ärzt*innen über die Befragung informiert. Insgesamt wurden 264 Fragebögen ausgefüllt, was die Befragung zur größten Studie mit Hypoparas in Deutschland macht.

ERGEBNISSE

Von den 264 Teilnehmenden waren 95 (36 %) Mitglied der Selbsthilfe. Das mittlere Alter lag bei 55 Jahren und 85 % waren Frauen. Bei über der Hälfte der Teilnehmenden (55 %) lag die Diagnose des Hypopara mehr als 10 Jahre zurück (0,5-2 Jahre: 11 %; 2-5 Jahre: 18 %; 5-10 Jahre: 16 %). Bei 92 % der Teilnehmenden war eine Operation die Ursache für den Hypopara.

Fast alle Teilnehmenden (251) machten Angaben zur medikamentösen Behandlung ihres Hypopara. Hiervon wurden insgesamt 98 % mit der aktuellen Standardtherapie, bestehend aus Kalzium und/oder Vitamin D, behandelt. 28 (11 %) Teilnehmende gaben an, auch Natpar zur Behandlung ihres Hypopara zu erhalten und 31 Teilnehmende berichteten von der Einnahme von A.T. 10 Tropfen (Wiki: A.T. 10 Tropfen/Perlen nicht mehr erhältlich). Bei knapp 3/4 (74 %) aller Teilnehmenden wurde der Kalziumwert im Blut mindestens alle sechs Monate bestimmt, was den Empfehlungen der europäischen Leitlinie zur Behandlung des Hypopara entspricht.

Den Notfallausweis, [heute: Hypoparathyreoidismus Behandlungsausweis] des Netzwerkes Hypopara kannten 57 % der Teilnehmenden. Fast alle Personen (93 %), denen der Behandlungsausweis bekannt war, fanden ihn „sinnvoll“ oder „sehr sinnvoll“.

Insgesamt zeigte sich über alle Teilnehmenden hinweg ein großer Informationsbedarf bzw. ein Mangel an bereitgestellten Informationen. 39 % der Teilnehmenden gaben an, dass Ihnen die Behandlung der Erkrankung nicht ausreichend erklärt wurde. Auch bei den Informationen zu Hypokalzämie (28 %) und Hyperkalzämie (55 %) berichten die Teilnehmenden über fehlende Informationen. Der größte Informationsbedarf wurde in Bereichen „Langzeitfolgen der Therapie“, „Medikamentöse Nebenwirkungen“ und „neue Therapien“ gesehen. Aber auch in den Bereichen „Ernährung“, „Sport“, „sozial (rechtliche) Unterstützung“, „psychologische Unterstützung“ und „Schwangerschaft“ wurde von vielen ein hoher Informationsbedarf berichtet.

Auch auf das alltägliche Leben der Betroffenen hat der Hypopara einen großen Einfluss. So mussten 32 % der Teilnehmenden, aufgrund einer Hypokalzämie, bereits stationär behandelt werden (mehr als die Hälfte dieser wurde mehrmals stationär behandelt). Im Bereich Ernährung wurden von 38 % der Teilnehmenden Einschränkungen bei der täglichen Nahrungsaufnahme berichtet. Häufig ging es hier um den Kalzium- oder Phosphatgehalt der Nahrung, aber auch Magen-Darm-Probleme gehörten zu den genannten Einschränkungen. Bei über 30 % der Teilnehmenden brachte die Erkrankung negative Veränderungen im Berufsleben mit sich. Diese reichten von „Reduktion der Arbeitszeit“ bis hin zu „Entlassung“. Ein nicht zu vernachlässigender Teil der Hypoparas (16 %) berichtete davon, dass aufgrund der Erkrankung psychologische Unterstützung in Anspruch genommen werden musste.

Um die Symptomlast und Lebensqualität von Betroffenen mit Hypopara zu bestimmen, wurden zwei validierte Fragebögen verwendet – der Hypoparathyroid Patient Questionnaire 28 (HPQ-28) sowie die Funktionsskalen des Core Questionnaire der European Organisation For Research and Treatment Of Cancer (EORTC). Der HPQ-28 zeigte, dass es eigentlich keine „symptomfreien“ Hypoparas gab. Eine niedrige Symptomlast wurde von 22 % der Teilnehmenden berichtet, wogegen 28 % unter einer mittleren und 49 % unter hoher Symptomlast litten. Im Bereich der Lebensqualität zeigte sich, dass 40-76 % (je nach Funktionsskala) der Teilnehmenden so starke Einschränkungen haben, dass diese als klinisch relevant angesehen werden können. Eine höhere Symptomlast war mit größeren Lebensqualitäts-Einschränkungen assoziiert, aber auch nicht mehr arbeitsfähig zu sein – aufgrund der Erkrankung – hatte einen negativen Einfluss auf die Lebensqualität.

Insgesamt zeigt dieses Projekt, dass es in der Versorgung von Hypoparas und der Bereitstellung von Informationen zur Krankheit in Deutschland noch Verbesserungsbedarf gibt. Es konnte gezeigt werden, dass die Symptomlast und die Einschränkungen der Lebensqualität bei Betroffenen mit Hypopara hoch sind.

Was dieses Projekt auch gezeigt hat, ist, dass eine Zusammenarbeit zwischen Selbsthilfe, Fachgesellschaften und Wissenschaft möglich, sinnvoll und erstrebenswert ist.

Ich möchte mich hiermit bei allen Mitgliedern des Netzwerkes Hypopara, des Bundesverbandes Schilddrüsenkrebs – Ohne Schilddrüse Leben e.V. und den Teilnehmenden an der Befragung bedanken und hoffe auf einen weiterhin regen Austausch.

Sollte Interesse an den wissenschaftlichen Publikationen zu dieser Befragung bestehen, können Sie gerne Kontakt mit mir aufnehmen.

What are predictors of impaired quality of life in patients with hypoparathyroidism?
Matthias Büttner, Dieter Krogh [Tuvok], Heide Siggelkow, Susanne Singer
First published: 22 February 2022;
in: Clinical Endocrinology. 2022;1–8.
https://doi.org/10.1111/cen.14701

Hoffentlich sieht man sich auf zukünftigen Treffen wieder.

Matthias Büttner, Universitätsmedizin Mainz, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI).

  • Diese Antwort wurde geändert vor 1 Jahr, 10 Monaten von Harald.
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