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Vorgehensweise nach OP: sehr widersprüchlicher Befund: RJT ja/nein?

Hanno96
Nutzer*In

Hallo 🙂

Bei meiner Freundin (32J) wurde zu Beginn des Jahres ein Schilddrüsenkarzinom festgestellt. Eine vollständige Entfernung der Schilddrüse ist bereits erfolgt, jedoch haben die histologischen Untersuchungen nun einige Fragen aufgeworfen und der weitere Weg ist uns leider etwas unklar.

Hier der bisherige Verlauf kurz zusammengefasst:

Beginn des Jahres: Kalter Knoten per Ultraschall festgestellt -> FNP

01.02.23: FNP Bethesda VI mit Zellen eines papillären Schilddrüsenkarzinoms

10.03.23: Thyreoidektomie mit Neck dissection in der Schön Klinik in Eilbek -> 11 mm großer solider und zellreicher Knoten basal rechts. Nebengewebe mit chronischer, lymphofollikulärer Thyreoditis (vergrößerte Lymphknoten). Alle entnommenen Lymphknoten tumorfrei: links (0/5), rechts (0/13).

14.03.23: Histologischer Befund im UKE Hamburg -> Nicht eindeutig papilläres Wachstum, „ungewöhnlicher Befund“ mit atypischer Zytomorphologie. Verdacht auf zellreiches follikuläres Adenom mit ungewöhnlicher Zytomorphologie. Die Proben wurden daraufhin zu Dr DeLellis nach Rhode Island in die USA geschickt.

28.03.23: Histologischer Befund Rode Island: Man ist sich einig über den Befund einer soliden Variante eines nicht invasiven papillären Schilddrüsenkarzinoms.

27:04.23: Re-evaluierung der histologischen Proben am UKE mit PCR Diagnostik. Man widerspricht dem Ergebnis des Referenzpathologen und ist der Meinung, dass die Diagnose für ein Schilddrüsenkarzinom nicht ausreicht (!).

Geplant für 02.06.23: Ablative RJT mit Thyrogen-Spritzen und Szintigramm.

Seit der OP: L-Thyrox 88 1x tägl

TSH Wert (17.04): 3.23 µIU/ml

In der Schön Klinik Eilbek wurde uns gesagt, dass wir selber abwägen sollen, ob eine RJT noch infrage kommt. Man geht aber eher vom Befund des Referenzpathologen aus. Laut einer koreanischen Studie soll die RJT jedoch ohnehin nicht maßgeblich zur Lebenserwartung bei einem Schilddrüsenkarzinom beitragen.

Momentan tendieren wir dazu, die RJT trotzdem durchführen zu lassen, da:

  • der Verdacht einer aggressiveren Untervariante (solid variant) immer noch im Raum steht
  • laut Aussagen der behandelnden Mediziner die Risiken einer RJT sehr gering sind

Jedoch scheint es ja einige Studien zu geben, welche die RJT mit einem erhöhtem Leukämierisiko in Verbindung bringen.

Wie schätzt ihr hier das Risiko ein? Sollte man „auf Verdacht“ eine RJT durchführen?

Zudem haben wir noch ein paar weitere Fragen:

  1. Aufgrund des unklaren hist. Ergebnisses würden wir gern noch eine weitere pathologische Meinung einholen. Herr Prof Schmid aus Essen ist ja bereits in Rente. Gibt es in Deutschland weitere gute Anlaufstellen für eine Referenzpathologie?
  2. Sollte man mit der RJT ggf. bis zum Ergebnis der Referenzpathologie warten?
  3. Macht es Sinn, Tumormarker zu bestimmen? Wie Aussagekräftig sind diese Werte? Wie häufig sollte man diese messen?
  4. Welche Werte (Tg, TAK) sollten regelmäßig und in welchen Abständen gemessen werden?

Vielen Dank für eure Hilfe!

 

 

Julian
Moderator

Servus Hanno,

histologisch lassen sich leider nicht immer alle Tumore gut in die „Schubladen“ einteilen. Und für Patienten ist eine solche Situation immer mit einer Unsicherheit verbunden. Wichtig: Es gibt keine richtige oder falsche Entscheidung, einfach weil die Daten für eine solche Situation fehlen. Man könnte intuitiv denken, dass in diesem Graubereich eine RJT eine zweifelhafte zusätzliche „Sicherheit“ biete, allerdings ist das nicht bewiesen.

Die Unklarheit der Pathologen scheint ja eher zu sein, ob ein Risiko auf eine Streuung überhaupt bestand. Und da die Lymphknoten (wäre bei einem papillären CA meist erster Streuungsort) frei waren, ist die Prognose nach der Operation sehr, sehr gut.

Fakt ist: In Deutschland werden im Vergleich zu anderen Ländern, beispielsweise Japan, viel häufiger Radiojodtherapien durchgeführt ohne wesentliche Prognoseverbesserung der Betroffenen. Auf der anderen Seite sind von einer einmaligen RJT keine wesentlichen Folgeprobleme zu erwarten, beispielsweise bezüglich eines Sekundärmalignoms oder Fruchtbarkeit.

Ich hatte zwei RJTs und habe sie nicht als belastend empfunden. Je mehr ich mich mit den Studien aber beschäftigt habe, hätte ich auf die zweite RJT verzichtet.

Ich persönlich würde meiner Partnerin in einer solchen Situation empfehlen auf die RJT verzichten und 6 Monate nach OP (und im Verlauf alle 6-12 Monate) Ultraschall- und Laborkontrollen machen. Hierfür ist Thyreoglobulin (Tg) wichtig, da Tg nach einer Entfernung der Schilddrüse nicht in relevanter Anzahl da sein sollte und daher ein guter Marker für wiederkehrende Schilddrüsenzellen ist.  Vorsicht: Ohne RJT ist der Wert meist höher bzw. noch nachweisbar, das muss kein schlechtes Zeichen sein – auf den Verlauf kommt es an. Dazu bestimmt man in der Regel Tg-Antikörper (Tg-AK), da diese manche Laborverfahren beeinflussen können und bei einer Steigerung ebenfalls ein Auseinandersetzen des Körpers mit Schilddrüsenzellen nachweisen können.

Wäre der Tumor 0,1mm kleiner, wäre die Datenlage deutlich klarer bezüglich eines abwartenden Verhaltens – nur mal zur Einschätzung. Solltet ihr euch mit einer RJT aber sicherer und wohler fühlen, dann kann und darf man das in einer solchen Situation auch.

Liebe Grüße

Julian

P.S.: Sehe ich das richtig, dass TSH auf über 3 mIU/l (=µIU/ml) liegt? Auch bei einem niedrig-malignen Karzinom wäre man eher strenger, die Amerikaner beispielsweise bei <0,5mIU/l. Also ggf. nach Rücksprache L-Thyroxin erhöhen.

2 Nutzer*innen haben sich für diesen Beitrag bedankt.
Hanno96
Nutzer*In

Vielen Dank für die ausführliche Antwort 🙂

Kennt ihr eine gute Anlaufstelle, wo wir noch eine Referenzpathologische Untersuchung durchführen lassen können?

Ich habe oft gelesen, dass Prof Schmid hier empfehlenswert sei, dieser scheint jedoch nun in Rente zu sein.

Vielen Dank!

Hallo,

Priv.-Doz. Dr. Dr. Udo Siebolts, früher Uniklinik Halle, nun an der Uniklinik Köln hat die Aufgaben von Prof. Schmid übernommen.

Die Einschätzung der soliden Variante eines nicht invasiven papillären Schilddrüsenkarzinoms als aggresive Untervariante wird übrigens in Frage gestellt. Studie schauen z.B.  wie oft hier Lymphknotenmetastasen vorliegen.

Xu B, Viswanathan K, Zhang L, Edmund LN, Ganly O, Tuttle RM, Lubin D, Ghossein RA. The solid variant of papillary thyroid carcinoma: a multi-institutional retrospective study. Histopathology. 2022 Aug;81(2):171-182. doi: 10.1111/his.14668. Epub 2022 May 18. PMID: 35474588.
In dieser Studie wurden 156 Patienten untersucht. Von diesen hatten 18% Lymphknotenmetastasen. Lymphknotenmetastasen gab es bei 51% mit infiltrativen Wachstum, jedoch nur bei 1% bei den gekapselten Tumoren. Von den 54 Patient*innen mit einem nicht-invasiven gekapselten Tumor hatte kein einziger ein Rezidiv.   Die Autoren regen daher an, die Einordnung des SVPTC als aggressivere Subvariante des PTC zu überdenken.

Und das gute ist ja, dass von den reichlich entnommenen Lymphknoten kein einziger bei deiner Freundin ja  befallen war.

Es scheint auch, dass in der Schön-Klinik auch sehr gut operiert wurde.

Wie hoch ist denn jetzt der Tg-Wert (+ TAK + TSH)?

siehe auch Forenthema: ATA (2015): Postoperativer Tg-Wert, ob RJT indiziert

Viele Grüße,

Harald

  • Diese Antwort wurde geändert vor 11 Monaten, 2 Wochen von Harald.
1 Nutzer*in hat sich für diesen Beitrag bedankt.
Hanno96
Nutzer*In

Vielen Dank für die Antwort!

Die Referenzpathologie in Köln ist nun in die Wege geleitet.

Nun sind auch die Blutwerte da:

TG: 0.66 ng/ml

TG Wiederfindung: 113%

TSH: 9.45 µIU/ml

Das L-Thyroxin wurde nun auf auf 122 µg/Tag erhöht.

Anonym
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