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Radiojodtherapie Angst vor Nebenwirkungen/ Follikuläres Karzinom

Radiojodtherapie Angst vor Nebenwirkungen/ Follikuläres Karzinom

| Beitrags-ID: 440254

Hallo liebes Forum,

nun steht die Radiojodtherapie für Ende Februar an. Ich frage mich ob die Standarddosis 3700 Einheiten Radiojod unbedingt erforderlich ist bei dieser Diagnose** und ob hier Erfahrungen gesammelt werden konnten mit weniger Einheiten? Ich mache mir fürchterliche Sorgen wegen möglichen Nebenwirkungen – vor allem, dass die Speicheldrüsen in Mitleidenschaft gezogen werden. Ich hab nun einige Horrorberichte gelesen wo dies sogar nach mehreren Monaten noch passiert ist. Als ich den Arzt fragte, sagte dieser, dass die Therapie so sich bewehrt hat und wenn man mit niedrigen Dosen anfängt besteht die Gefahr, dass wenn die RJT wiederholt werden müsste, dann diese weniger gut anschlägt. Stimmt das?

Sollte man auch Monate nach der Therapie ständig Bonbons lutschen oder Kaugummi kauen? Wie lange sollte man die Speicheldrüsen massieren nach der Therapie?

** pT3a, pN0, L0V1, R-Status: Lokal R0 (Tumorgröße 4,5 cm)

„Normofollikuläres kolloidhaltiges Schilddrüsenparenchym. Zentral zeigt sich eine teils normo, überwiegend mikrofollikulär, teils auf solide aufgebaute Proliferation. Diese zeigt in der Kapselregion prominente Kapselprotrusionen ohne eindeutigen Kapseldurchbruch. Unifokal wird ein Gefäß innerhalb der Kapsel infiltriert. Zentral die Kerne teils mit Milchglasaspekt, jedoch ohne eindeutige Kernkerben oder Kerneinschlüsse. Keine Befunderweiterung in einer EvG oder CD31 Färbung.“

Pathologisch-anatomische Diagnose: Schilddrüsenlappensesektat mit einem max. 4,5 großen, stark reaktiv veränderten, follikulären Schilddrüsenkarzinom mit limitierter Angioinvasion (ein Gefäß)

  • Dieses Thema wurde geändert vor 1 Jahr, 2 Monaten von Harald.
Sternenfrau
Ger.-Diff. SD-CA 11/19

Antwort auf: Radiojodtherapie Angst vor Nebenwirkungen/ Follikuläres Karzinom

| Beitrags-ID: 440314

Hallo Angel,

ich habe vor etwa 3 Jahren innerhalb von einem halben Jahr zwei Radiojodtherapien bekommen. Ich würde aus heutiger Sicht sagen, dass diese Art von Therapie für die Behandlung von Krebs weniger nebenwirkstark ist als z.B. Chemotherapie. Und darüber bin ich wirklich froh. Nichts desto trotz gibt es Nebenwirkungen, die sicher auch individuell unterschiedlich ausfallen. Aber es ist natürlich auch wichtig immer wieder daran zu denken, dass es hier um Krebs geht.

Ich würde die Bonbons tatsächlich im Krankenhaus lutschen und vielleicht noch ein paar Tage danach. Und ich würde viel Wasser trinken.

Ich glaube, es gibt hier vom Verein sogar eine Broschüre zum Thema Radiojodtherapie.

Die Dosis würde ich so akzeptieren, die Info des Arztes kenne ich in der Form auch.

Ich drücke Dir ganz fest die Daumen, dass es Dir während der Therapie gut geht ,

Sternenfrau

Sternenfrau
Ger.-Diff. SD-CA 11/19

Antwort auf: Radiojodtherapie Angst vor Nebenwirkungen/ Follikuläres Karzinom

| Beitrags-ID: 440315

P.S. Schau einmal unter `Infomaterial´, da findest Du sogar mehrere Informationen rund um die Radiojodtherapie.

Antwort auf: Radiojodtherapie Angst vor Nebenwirkungen/ Follikuläres Karzinom

| Beitrags-ID: 440321

Hallo Angel0812,

also eine Broschüre zur Radioiodtherapie haben wir (noch) nicht, was daran liegt, dass wir den Blauen Ratgeber Schilddrüsenkrebs der Deutschen Krebshilfe haben, an dem wir auch immer mitarbeiten.

Wichtiger ist eigentlich  unser Wissensbereich  –> Therapien -> Radioiodtherapie,

wo wir neben einfachen Erklärungen, dann auch weiterführende Infomationen geben.

Wichtig: Die Evidentz bezüglich saure Bonbons lutschen, zur Vermeidung einer Schädigung der Speicheldrüsen durch das radioaktive Jod ist nicht sehr hoch. Es spricht etwas mehr dafür, dass man erst ein Tag nach der Gabe des radioaktiven Jod mit sauren Bonbons anfangen soll; siehe unser Merkblatt Forenthema: Merkblatt – Kariesschutz Schutz der Mund- und Ohrspeicheldrüsen nach einer Radioiodtherapie (RIT) (noch im Forum und noch nicht in Wissensbereich überführt).

Und wenn das radioaktive Iod wieder draußen ist, kann man das Lutschen auch wieder sein lassen. Würde auch wenn keine Mundtrockenheit explizit festgestellt wird, auf ein gute Zahnhygiene nach der Radioiodtherapie künftig achten.



@narcoleptic
hat 2016 mal das Kapitel zur Aktivität bei der Radioiodtherapie aus der amerikanischen Leitlinie übersetzt: Forenthema: ATA (2015): Welche Aktivität von I-131 bei der RIT?

Wichtig dabei ist, ob niedrig 1,1 GBq, 2,0 GBq oder Standard Therapie-Aktivität 3,7 GBq wie hoch das Rezidivrisiko ist, und ob man bei geringen Risiko eher eine ablative RIT (Entfernung des Restgewebes) machen möchte, um eine einfachere Nachsorge mit dem Tg-Wert zu haben, oder ob man eine adjuvante RIT machen möchte, um das Risiko für künftige Rezidive zu reduzieren.

Hier ist das Problem, dass die meisten Studien sich auf das papilläre Schilddrüsenkarzinom beziehen, weil diese häufiger sind, wie das follikuläre Schilddrüsenkarzinom.

Auch  die Risikogruppen bezüglich Rezidiv-Wahrscheinlichkeit nach der ATA beziehen sich vor allem auf das papilläre, wobei es sich hier um ein Kontinuum handelt.

Hier die Risikogruppen bezüglich Rezidiv-Wahrscheinlichkeit nach der ATA: Forenthema: ATA: Risikogruppen beim differenzierten Schilddrüsenkrebs

Entscheidend ist Frage bei deinem Sohn wie man dies bewertet:

Unifokal wird ein Gefäß innerhalb der Kapsel infiltriert. (…)

follikulären Schilddrüsenkarzinom mit limitierter Angioinvasion (ein Gefäß)

Hier gibt es, sowie ich es verstehe, unterschiedliche Bewertungen: die ATA ordnet auch solche Tumore mit kleinen Gefäßeinbrüche eher zu den low-risk Patienten ein, während die Deutschen hier ganz streng sind, sobald ein Gefäßeinbruch da ist, wird eine Radioiodtherapie empfohlen.

Ein großes Problem ist, dass die retrospektiven Studien oft nur Zeiträume von 10 Jahren erfassen, dies ist bei unserem Krebs jedoch viel zu kurz. Es ist deshalb zu kurz, weil zwar die Rezidive meist so nach 3-5 Jahre auftreten. Jedoch selbst dann stirbt man nicht sofort, sondern z.B. nach 11 ( siehe @michaela78 ) und mehr Jahren, die leben dann immer noch in dieser Statistik.

Hier eine japanische Studie – die Japaner sind generell sehr zurückhaltend mit Radioiodtherapien – , wo nur 9,8% der Patient*innen eine Radioiodtherapie erhielten. Auch wird hier besser das Distanz recurrence-free survival (DR-FS) gemessen, (was nicht dem Krankheitsfreien Überleben (DFS) entspricht, welches die Zeit ist, in der kein überhaupt kein, auch kein lokales Rezidiv auftritt):

Yasuhiro Ito, et al. 2022, Prognostic factors for follicular thyroid carcinoma: the importance of vascular invasion. Endocr J. 2022 Sep 28;69(9):1149-1156.
doi: 10.1507/endocrj.EJ22-0077.

Diese Studie untersuchte Patienten, die zwischen 1998 und 2015, die Diagnose erhielten. Die Studie kommt u.a. zum Ergebnis, dass Patient*innen mit einer Angioinvasion ein höheres Risiko für ein Rezidiv haben. Tab 4 zeigt dort die Ergebnisse für das Distanz rezidiv-freie Überleben (distant recurrence-free survival (DR-FS), Zeit ohne Fermetastasen) für das gekapselte Follikuläre Schilddüsenkarzinom mit einer Angioinvasion (aFTC: encapsulated angioinvasive/VI Veneninvasion):

Von den 91 Patient*innen mit eaFTC/VI(1+):

5 Jahre DR-FS: 94.3%

10 Jahre DR-FS: 91.9%

15 Jahre DR-FS: 91.9%

20 Jahre DR-FS: 86.3%

Für Gefäßinvasionen mit mehr Foci (VI 2+) sind die Daten allerdings noch deutlich schlechter.Gut sind hingegen die Daten, wenn keine Gefäßinvasion vorlag. So haben selbst Patienten mit dem gob-invasive follikulären Schilddrüsenkarzinom ein besseres Distanz rezidiv-freies Überleben, wenn sie keine Angioninvasion VI(-) haben als Patient*innen mit einem gekapselten Tumor und einer Angioinvasion VI(1+).

Fazit,  die Empfehlung für ein Standarddosis 3700 MBq findet sich durch diese Studie bestätigt.

Viele Grüße

Harald

 

 

  • Diese Antwort wurde geändert vor 1 Jahr, 2 Monaten von Harald.
    Diese Antwort wurde 2-mal bearbeitet.

Antwort auf: Radiojodtherapie Angst vor Nebenwirkungen/ Follikuläres Karzinom

| Beitrags-ID: 440345

Vielen Dank für eure Antworten. Damit wurden mir alle Zweifel genommen ob die empfohlene Dosis  der Radiojodtherapie gut ist oder nicht. Ich bin nun der Überzeugung, dass die 3700 Mbq erforderlich sind. Und vor allem danke ich dir lieber Harald für diesen ausführlichen Bericht. Ich bin wirklich froh euch bzw. dieses Forum hier gefunden zu haben!!!

Antwort auf: Radiojodtherapie Angst vor Nebenwirkungen/ Follikuläres Karzinom

| Beitrags-ID: 440347

Hallo Angel0812,

habe meinen obigen Beitrag nochmal sprachlich überarbeitet, sowie inhaltlich ist mir ein Fehler passiert, ich habe das distant gestern beim distant recurrence-free survival (DR-FS) überlens.

Das DR-FS ist die Zeit bis keine Fernmetastasen auftreten, lokale Rezidiv werden hier mit diesem Parameter nicht erfasst, so dass DR-FS eben nicht identisch ist mit diseas free survival (DFS), in dem alle Rezidive erfasst werden.

Viele Grüße,

Harald

  • Diese Antwort wurde geändert vor 1 Jahr, 2 Monaten von Harald.
    Diese Antwort wurde 2-mal bearbeitet.
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