Achtung

Ratschläge auf der Website können keinen Arztbesuch ersetzen
Okay

Levothyroxin Änderung der Rezeptur in Frankreich

BeateMitglieder-Beirat SD-Krebs 2000 (pap. + foll.)

Levothyroxin Änderung der Rezeptur in Frankreich

| Beitrags-ID: 258849

Internationale Erfahrungen
Levothyroxin Änderung der Rezeptur in Frankreich
[Dieser Beitrag erschien auch in gekürzter Form in unserem www.sd-krebs.de – OFFLINE, Nr. 21, Dezember 2018]

In Frankreich wurde im Frühjahr 2017 die Rezeptur des einzigen dort zu diesem Zeitpunkt erhältlichen Schilddrüsenhormonpräparates Levothyrox® (url=l2442] Merck KGaA[/url], in Deutschland im Handel unter dem Handelsnamen Euthyrox®) geändert – einer der Füllstoffe, Laktose, wurde durch Mannitol und Zitrussäure ersetzt, dies soll laut Hersteller die Stabilität verbessern. In den anderen europäischen Ländern soll die geänderte Formel im Laufe des Jahres 2019 auf den Markt kommen. In Deutschland ist die Einführung für das 2. Quartal 2019 geplant.

In Frankreich kam es allerdings zu einigen Problemen: zwar meldeten „nur“ ca. 1,43 % der Betroffenen Umstellungsschwierigkeiten und teils starke Nebenwirkungen, Aufgrund des Monopols von Merck in Frankreich waren dies jedoch von Mai 2017 bis Ende Juni 2018 mehr als 32.000 Patient*innen, die über das offizielle Portal Nebenwirkungen gemeldet hatten. Oft waren dies Anpassungs-/Umstellungsprobleme, wie sie bei jedem Wechsel eines Schilddrüsenhormonpräparates möglich sind, die sich nach einer Dosisanpassung besserten. Aber manche sind nach wie vor unerklärt (in vielen Fällen kam es zu widersprüchlichen Symptomen, Über- und Unterfunktionssymptome gleichzeitig, trotz weiterhin normaler Schilddrüsenwerte im Blut).

Nach der Veröffentlichung von ersten Presseberichten, im August 2017, kam es zu einer richtigen „Levothyrox-Krise“, die auch Ende 2018 noch andauert. Mehrere tausend Patient*innen haben gegen den Hersteller geklagt, und fordern unter anderem Transparenz, Sachverständigengutachten und Schadensersatz wegen unzureichender/fehlender Information zur Umstellung.

    Seit Oktober 2017 wird vorübergehend, für besonders betroffene Patient*innen, in begrenzter Menge Euthyrox (alte Rezeptur) aus Deutschland eingeführt, und inzwischen sind von anderen Herstellern weitere Schilddrüsenhormonpräparate auf dem französischen Markt.

Die Situation in Frankreich ist bzw. war ganz anders als in Deutschland, mehrere Faktoren haben die Krise verstärkt:

  • Levothyrox war zum Zeitpunkt der Einführung das EINZIGE in Frankreich erhältliche Schilddrüsenhormon in Tablettenform, in einer quasi-Monopolstellung mit 99 % Marktanteilen – Patient*innen, die das neue Medikament nicht vertrugen, hatten monatelang absolut keine Alternative und fühlten sich aufgeliefert (wer konnte, fuhr über die Grenze und besorgte sich Euthyrox aus Deutschland, Belgien, Spanien…). In Deutschland ist dies ganz anders, es gibt mehr als ein Dutzend verschiedene Präparate, und Euthyrox hat nur etwa 16 % Marktanteile.
  • schlechte bzw. unzureichende Information durch Hersteller und Gesundheitsbehörde (viele Patient*innen, und selbst Apotheker*innen, dachten, nur die Farbe der Schachtel hätte sich geändert, und suchten nach anderen Ursachen für ihre Beschwerden)
  • Späte/unzureichende Reaktion der Ärzt*innen (Patient*innen fühlten sich nicht ernstgenommen, oft wurde alles auf einen „Nocebo-Effekt“ geschoben)
  • „Schneeballeffekt“ der sozialen Netzwerke: Informationen, aber auch viele Gerüchte und alarmierende Meldungen, verbreiteten sich rasant schnell. Viele fühlten sich als „Whistleblower“ und veröffentlichten überstürzte oder teilweise falsche Informationen, was zu großer Unruhe führte.
  • Späte/unzureichende Reaktion der Behörden (Gesundheitsministerium, Arzneimittelagentur) – Versuche der Beschwichtigung, unzureichende/falsche Informationen führten zu einem großen Vertrauensverlust.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die deutschen Patient*innen in einer ganz anderen Situation sind als die Patient*innen 2017 in Frankreich: Hersteller und Behörden haben bessere Information versprochen (niemand soll die neue Rezeptur bekommen, ohne ausdrücklich darauf hingewiesen zu werden, dass sich die Zusammensetzung geändert hat, er auf eventuelle Symptome achten und ggf. Blutwerte überprüfen lassen soll), und es gibt mehrere andere Präparate von anderen Herstellern – wenn Symptome auftreten und sich durch eine Dosisanpassung nicht bessern lassen, kann man das Präparat wechseln.

Weiterführende Links:

BeateMitglieder-Beirat SD-Krebs 2000 (pap. + foll.)

Antwort auf: Levothyroxin Änderung der Rezeptur in Frankreich

| Beitrags-ID: 465432

Hallo,

nach langer Zeit mal wieder Neuigkeiten in dieser „unendlichen Geschichte“ der Levothyrox-Formeländerung in Frankreich…

Wie berichtet, waren ja Ende 2022 offiziell Ermittlungen wegen „Täuschung“ und „schwerer Täuschung“ gegen die Arzneimittelbehörde und gegen Merck aufgenommen wurden. Diese haben dagegen protestiert. Diesen Protest zu überprüfen, hat wieder mehr als ein Jahr gedauert und wurde im Dezember 2024 verhandelt (5 Stunden lang!) – das Ergebnis wird am 7. Mai 2025 verkündet. Und wir denken nicht, dass das Gericht die Ermittlungen einstellt (bei mehr als 10.000 Klagen, mehr als 3000 Nebenklägern…), das gäbe einen riesigen Skandal. Aber immerhin hat sich hierdurch die ganze Sache nochmal deutlich verzögert… zum Prozess kommt es frühestens Ende 2025 oder erst 2026. Inzwischen hat die Untersuchungsrichterin gewechselt (was extrem schade ist, die vorherige war extrem motiviert und ist der Sache wirklich auf den Grund gegangen, hat jede Menge beschlagnahmte Dokumente und Computer durchforstet usw…) Mal sehen, es bleibt spannend!

Zumindest „moralisch“ haben die Patienten letzte Woche einen erneuten Erfolg errungen: bei einem Sammelverfahren gegen die frz Arzneimittelbehörde ANSM, auch wieder wegen „fehlerhafter Information“, hat das Berufungsgericht in Paris die Behörde offiziell für SCHULDIG erklârt – allerdings (im Gegensatz zu dem Verfahren gegen Merck (wo jeder der 3329 Kläger 1000€ bekam) den etwas über 1000 Klägern KEINE Entschädigung wegen der durch die fehlende Information verursachte „Angst“ zugestanden (mit der Begründung, dass ja keine bleibenden schweren Schäden zu befürchten gewesen seien“ (im Gegensatz z.B. zur Asbest-Klage – wo die betroffenen Personen damit rechnen mussten, innerhalb von 5 Jahren Krebs zu bekommen und zu sterben).

Also nur ein halber Erfolg – aber immerhin!

Dieses Wochenende bin ich bei einer Konferenz eingeladen, um an einem „Runden Tisch“ teilzunehmen, über das Thema „Fehler in der Arzneimittelüberwachung“ (am Beispiel Depakin, gegen Epilepsie, was in der Schwangerschaft Schäden bei den Kindern verursachen kann, sowie Levothyrox), das wird sicher spannend.

Und dann heisst es, auf den Strafprozess zu warten…

Ich habe bisher keine Artikel auf deutsch gefunden.

Viele Grüsse!

Beate

Mitglied im Forum seit 1999. Gründerin des französischen Schwester-Forums und -Vereins "Vivre sans Thyroïde" (seit 2000): www.forum-thyroide.net

1 Nutzer*in hat sich für diesen Beitrag bedankt.
Anonym
Gast

Gäste dürfen nur Anfragen stellen. Ratschläge, Erfahrungsberichte etc. von Gästen werden von den Moderatoren ohne Vorwarnung gelöscht.
Das Gast-Schreiberecht ist nur für Nutzer*innen gedacht, die sich nicht gleich registrieren möchten bzw. Probleme bei der Registrierung haben: Jetzt kostenlos registrieren als Forums-Nutzer*in

Deine Information:

Bist du ein Mensch? Dann klicke bitte auf Ordner.

Geburtstage

Heute haben keine Nutzer*innen Geburtstag.

In den nächsten Tagen haben 5 Nutzer*innen Geburtstag

Zur Zeit aktiv

Forum-Statistik

135.784 veröffentlichte Beiträge
29.518 veröffentlichte Themen
7.627 registrierte Nutzer*innen

Sie möchten uns finanziell unterstützen?
Bundesverband Schilddrüsenkrebs – Ohne Schilddrüse leben e.V.
GLS Gemeinschaftsbank eG|IBAN: DE52 4306 0967 4007 2148 00|BIC: GENODEM1GLS

Spenden mit einem Klick