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Hallo,
Die US-amrikanische Zulassungsbehörde hat Selpercatinib am 8.5.2020 (FDA News Release) die Zulassung zur Behandlung erteilt.
Erstmals wurde dabei die Zulassung für Lungenkrebspatient*innen und Schilddrüsenkrebspatient*innen an eine bestimmte Mutation oder Fusion geknüpft:
- Erwachsene mit einem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) und einer RET-Fusion
- Erwachsen und Kinder ab 12 und älter mit einem forgeschrittenen oder metastisierten medullären Schilddrsüenkarzinom, wenn eine RET-Mutation vorliegt, und eine systhemische Therapie notwendig ist.
- Patient*innen mit dem fortgeschrittenen oder metastisierten Schilddrüsenkarzinom bei dem eine RET-Fusion vorliegt und die eine systemische Therapie benötigen und deren Krebszellen kein Jod mehr aufnehmen ( Radioiod-refraktäres Schilddrüsenkarzinom (RR-DTC)) oder erst gar nicht für eine Radioiodtherapie in Betracht kamen.
- Anmerkung Harald: So wie ich es verstehe, beschränkt sich diese Zulassung nicht nur auf das papilläre Schilddrüsenkarzinom mit einer RET-Fusion (RET/PTC). Die Zulassung dürfte sich auch auf andere fortgeschrittene Schilddrüsenkarzinome (wenig-differenziertes und anaplastisches) beziehen, bei denen eine RET-Fusion nachweisbar ist.
Die FDA-Zulassung erfolgte über ein beschleunigtes Zulassungsverfahren ( accelerated approval)
accelerated approval
= beschleunigte Zulassung; die accelerated approval durch die us-amerikanische Zulassungsbehörde FDA geschiet, wenn ein beträchtlicher Zusatznutzen vermutet wird. Die Zulassung basiert dabei einzig auf Daten von Surrogatparametern (z.B. Verringerung der Tumorgröße) und nicht auf Patienten relevanten Endpunkten (z.B. Lebensverlängerung oder Reduzierung von Schmerzen).
Die beschleunigte Zulassung bedarf jedoch noch weiterer Phase-IV-Bestätigungsstudien.
Die beschleunigte Zulassung sowie das europäische Pendant das Conditional Marketing Authorisation sind in der Evidenzbasierten Medizin (EbM) umstritten, weil nur Surrogatparameter für die Zulassung herangezogen werden und doppelt-verblindete, randomisierte Studie (RCT) mit der höchsten Evidenz erschwert bzw. unmöglich gemacht werden.
Siehe auch:
Dass ein solches beschleunigtes Zulassungsverfahren auch eine Berechtigung hat, siehe Selpercatinib im Compassionate Use – meine Erfahrung von Steffen69
Die Zulassung durch die europäische Zulassungsbehörde EMA steht noch aus.
Zur Problematik Zulassung und Nutzenbewertung siehe:
- Zur Problematik einer beschleunigten Zulassung, siehe accelerated approval
- FDA – Interessenkonflikte
Die FDA bewertete diese Studie (Phase I/II) und welche zur Zulassung führte wie folgt (beziehe mich nur auf das Schilddrüsenkarzinom):
- Beim medullären Schilddrüsenkarzinom wurden 143 Patient*innen eingeschlossen, die eine nachgewiesene RET-Mutation hatten und ein fortgeschrittenes Stadium und/oder Metastasen.
Die Patient*innen hatten zuvor eine Behandlung mit Vandetanib oder Cabozantinib oder mit dieser beiden TKIs oder noch gar keine systemische Therapie.Die 55 Patient*innen, die zuvor eine Behandlung hatten (wie z.B. Steffen69 Selpercatinib im Compassionate Use – meine Erfahrung) hatten ein „objektive Ansprechrate“ (ORR) von 69%.
Objective Response Rate
Objective Response Rate (ORR; deutsch: objektive Ansprechrate) ist ein Surrogatparameter der von den Zulassungsbehörden (FDA bzw. EMA) definiert wird, als ein Anteil der Patienten mit objektiviertem
Ansprechen (nach zuvor definierter Vorgaben, z.B. RECIST-Kriterien, mit denen das Wachstum und das Ansprechen von Tumoren auf Therapien dokumentiert wird.)
(Quelle: FDA: Clinical Trial Endpoints for the Approval of Cancer Drugs and Biologics Guidance for Industry; Dezember 2018)76% dieser Patient*innen, die ein Ansprechen hatten, dauerte das Ansprechen mindestens 6 Monate.
Bei Patient*innen, die noch keine systemische Therapie erhalten hatten, war die Anspechrate (ORR) bei 73%.
Bei 61 % aller dieser Patient*innen, die ein Ansprechen hatten, dauerte das Ansprechen midestens 6 Monate. - Schilddrüsenkarzinompatient*innen mit einer RET-Fusion wurden nicht sehr viele Patient*innen eingeschlossen:
- 19 Patient*innen, deren Schilddrüsenkrebszellen kein mehr bei der Radioiodtherapie mehr aufnahmen ( Radioiod-refraktäres Schilddrüsenkarzinom (RR-DTC)) und bereits eine andere systhemische Therapie (Sorafenib und/oder Lenvatinib).
Bei diesen lag das Ansprechen (ORR) bei 79%.
Bei 87% die auf die Behandlung ansprachen, dauerte das Ansprechen mindestens 6 Monate. - 8 Patient*innen, hatten zuvor keine Radioiodtherapie, weil diese nicht indiziert war.
Hier lag das Ansprechen (ORR) bei 100%, und bei 75% (=6 Patient*innen) dauerte das Ansprechen mindestens 6 Monate.
- 19 Patient*innen, deren Schilddrüsenkrebszellen kein mehr bei der Radioiodtherapie mehr aufnahmen ( Radioiod-refraktäres Schilddrüsenkarzinom (RR-DTC)) und bereits eine andere systhemische Therapie (Sorafenib und/oder Lenvatinib).
Als häufige Nebenwirkungen führt die FDA an:
- trockener Mund,
- Durchfall,
- Müdigkeit,
- Schwellung im Körper oder in den Gliedmaßen,
- Bluthochdruck,
- Hautausschlag,
- Verstopfung
sowie eine Reihe veränderter Butwerte: - erhöhte Leberwerte,
- erhöhter Blutzucker,
- verringerte weiße Blutkörperchen,
- verringertes Albumin im Blut,
- ….
Es kann auch zu schweren Nebenwirkungen kommen wie
- Leberschäden
- erhöhter Blutdruck
- QT-Verlängerung
- Blutungen
- allergische Reaktionen
Bei Leberschäden soll die Dosis von Selpercatinib reduziert oder dauerhaft abgesetzt werden.
Bei einer notwendigen Operation ist zu bedenken, dass die Wundheilung durch Selpercatinib erschwert ist, und die Chirurg*innen müssen entsprechend informiert werden.
Quelle: FDA Approves First Therapy for Patients with Lung and Thyroid Cancers with a Certain Genetic Mutation or Fusion. FDA News Release May 08, 2020
Viele Grüße
Harald