
Dies ist das Kapitel 5.3. unserer Broschüre:
Knoten der Schilddrüse und ihre Behandlung
Beobachten oder behandeln/operieren?
Diese Broschüre sowie anderes Infomaterial ist auch kostenlos über die Geschäftsstelle zu beziehen.
Berlin, 2013 (10. Auflage im Dezember 2022)
Durch die Lage der Schilddrüse kann es nach einer Schilddrüsenoperation neben den auch bei anderen Operationen üblichen Risiken zu verschiedenen speziellen Nebenwirkungen kommen.
Nachblutung
Als sehr seltene Komplikation (ca. 1% bei einer totalen Entfernung der Schilddrüse) kann vor allem in den ersten 24 h nach der Operation eine Nachblutung auftreten.In diesem Fall muss die Narbe wieder geöffnet und die Blutung gestillt werden.
Eine Nachblutung erkennt man meist durch ein Druckgefühl und eine sichtbare Schwellung, Luftnot, Schluckbeschwerden sowie eine aktive Blutung, wenn eine Drainage gelegt wurde.
Es muss dann sofort gehandelt werden. Wird die Nachblutung sofort erkannt und behandelt, dann treten in der Regel keine Langzeitfolgen auf. Die Dauer des Aufenthalts im Krankenhaus verlängert sich um ca. einen Tag.
Eine nicht rechtzeitig erkannte Nachblutung ist allerdings lebensgefährlich.
Krankenhaussterblichkeit
Die Krankenhaussterblichkeit bei Schilddrüsenoperationen liegt bei 0,1%.
Heiserkeit durch Intubation
Durch die Beatmung mittels Intubation kann es nach der Operation zur Heiserkeit kommen. Diese hält in der Regel nicht lange an und kann durch Inhalation behandelt werden. Hält die Heiserkeit jedoch an, sollte eine Recurrensparese (siehe unten) ausgeschlossen werden
Delirium nach Narkose
Je nach Schwere und Dauer der Operation entwickeln zwischen 15% und 50% der Patienten ein postoperatives Delirium (=lateinisch: aus der Spur geraten). In der Altersgruppe zwischen 18-59 Jahre habe bei der Entlassung noch 30% kognitive Defizite, auch 3 Monate nach der Operation leiden noch bis zu 5% unter Konzentrationsschwierigkeiten, die die Lebensqualität erheblich einschränken. Bei älteren Patienten ist der Anteil mit Konzentrationsproblemen nach einer Narkose noch höher. (Quelle: Pharmazeutische Zeitung; 41/2009)
Nackenbeschwerden
Zur Durchführung der Operation muss der Hals überstreckt werden. Da dies in Narkose geschieht und die Muskeln entspannt sind, verursacht es normalerweise keine Beschwerden. Sind jedoch vor der Operation Probleme mit der Halswirbelsäule bekannt, sollten Sie Ihre Ärzte (Chirurg und Narkosearzt) darauf hinweisen, um Schmerzen zu vermeiden.
Manchmal können dennoch Nackenschmerzen nach der Operation auftreten. Eine Verbesserung der Beschwerden kann mit Massagen und Krankengymnastik erreicht werden.
Postoperative Bewegungseinschränkungen
Bei einer Operation mit einer Neck Dissection kann es auch zur vorübergehenden oder dauerhaften Schädigung des Schulter–Nackenmuskelnervs (= Nervus accessorius) kommen, genaue Angaben zur Häufigkeit sind nicht bekannt. Die Beschwerden können sich u.a. äußern in starken Schmerzen, Motorikstörungen, Schulterschiefstand und einem abstehenden, gekippten Schulterblatt.
Erfahrungsaustausch über die Forums-Gruppe: postoperative Bewegungseinschränkungen
Schulterprobleme
Bei ausgedehnten Schilddrüsenoperationen insbesondere bei der Diagnose Schilddrüsenkrebs ist das Risiko für Schulterprobleme/postoperative Bewegungseinschränkungen erhöht, insbesondere bei einer Neck Dissection von Lymphknoten im Level V.
Die Beschwerden beruhen auf einer vorübergehenden oder dauerhaften Schädigung des Schulter-Hebe-Nerves (= Nervus accessorius), bei der es (u.a.) zu starken Schmerzen, Motorikstörungen, Schulterschiefstand und eventuell zu einem abstehenden, gekippten Schulterblatt (=scapula alata) kommen kann.
Erfahrungsaustausch über die Forums-Gruppe: Bewegungseinschränkungen, postoperative
Schluckbeschwerden
Bei 20-80 % der Patienten treten nach der Operation Schluckbeschwerden auf, welche innerhalb der ersten 6 Wochen in der Regel vollständig rückläufig sind, in Einzelfällen jedoch auch fortbestehen können. Letztere erfordern eine weitere diagnostische Abklärung, um abhängig von der Ursache ggf. eine Therapie einzuleiten.
Erfahrungsaustausch über die Forums-Gruppe: Schluckstörungen nach einer Schilddrüsenoperation
Stimmbandlähmung (Recurrensparese)
Die Stimmbandnerven (Nervus laryngeus recurrens) liegen oftmals sehr nahe bei der Schilddrüse oder verlaufen sogar mitten durch sie hindurch.
Besonders bei ausgedehnteren Schilddrüsenoperationen kann es deshalb manchmal zu einer vorübergehenden Störung, in seltenen Fällen auch zu einer dauerhaften Schädigung eines oder beider Stimmbandnerven kommen (ca. 1% bei einer totalen Entfernung der Schilddrüse bei einem Schilddrüsenkarzinom). Die Stimmbandlähmung kann sich durch Heiserkeit, aber auch durch Atemnot äußern.
Die Funktion der Stimmbänder wird vor und nach der Operation durch eine Stimmbandspiegelung (Laryngoskopie) überprüft.
Sollte dabei festgestellt werden, dass ein Stimmband sich nicht bewegt, so sollte möglichst bald mit Logopädie begonnen und die Übungen konsequent durchgeführt werden.
Oftmals zeigt sich in den ersten sechs Monaten nach der Operation eine Verbesserung. Bei etwa einem Drittel der betroffenen Patienten wird jedoch kein ausreichendes Stimmvolumen erreicht. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, die Stimmbandlähmung operativ zu behandeln.
Bei anhaltenden Problemen kann die Konsultation eines Phoniaters angezeigt sein, der über weitere Diagnosemöglichkeiten gegenüber dem HNO-Arzt verfügt und mögliche weitere Behandlungsmöglichkeiten (u.a. OP) aufzeigen und erklären kann.
Bei beidseitiger Stimmbandlähmung ist das Hauptproblem meist die Atemnot, da der verbleibende Spalt zwischen den Stimmbändern für eine ausreichende Atmung zu eng ist. Durch verschiedene operative Verfahren besteht die Möglichkeit, diesen Spalt zu vergrößern und die Atemnot zu beseitigen. Dabei wird versucht, gleichzeitig eine möglichst gute Stimme zu erhalten.
Erfahrungsaustausch über die Forums-Gruppen:
Nebenschilddrüsenunterfunktion (Hypoparathyreoidismus)
Bei Schilddrüsenoperationen kann es versehentlich zur Mitentfernung oder Schädigung von Nebenschilddrüsen kommen. Mitunter wird noch während der Operation versucht, diese wieder zu transplantieren. Das Risiko einer Schädigung der Nebenschilddrüsen, was bei ausgedehnten Schilddrüsnoperationen erhöht ist, beträgt ca. 1 – 4 %. Wurden funktionsfähige Nebenschilddrüsen erhalten, kann sich ihre Funktion nach einiger Zeit erholen.
Nebenschilddrüsen:
Die etwa weizenkorngroßen Nebenschilddrüsen (Epithelkörperchen) befinden sich in der Regel an der Rückseite der Schilddrüse. Ihre Blutversorgung ist mit dem Blutgefäßsystem der Schilddrüse verbunden.
Die Nebenschilddrüsen produzieren das Hormon Parathormon, durch das sie den Calcium-Haushalt des Körpers steuern und für einen ausreichend hohen Calcium-Spiegel im Blut sorgen.
Bei Nebenschilddrüsenunterfunktion kommt es durch fehlendes Parathormon zu einem Calcium-Mangel im Blut. Dieser kann sich durch Kribbeln in Armen und Beinen, Angstgefühle, Atemnot und Muskelkrämpfe, oder bei leichtem Calcium-Mangel aber auch erst mit Verzögerung bemerkbar machen. Bleibt ein zu niedriger Calcium-Wert längere Zeit unentdeckt, sind Folgeschäden (Grauer Star, Fahr-Syndrom) nicht ausgeschlossen. Der Calcium-Wert im Blut (Normalwert 2,2 – 2,65 mmol/l) sollte deshalb nach einer Operation immer mehrfach kontrolliert werden, auch wenn keine Beschwerden auftreten.
Direkt nach der OP kann die intravenöse Gabe von Calcium erforderlich sein. Bei anhaltender Hypocalciämie kommen dann Tabletten zum Einsatz. In der Regel ist ein Medikament erforderlich, das die Aufnahme von Calcium ins Blut verbessert, um den gewünschten Serumcalcium-Spiegel (2,1-2,3 mmol/l) zu erreichen. Je nach den Ernährungsgewohnheiten ist die zusätzliche Zufuhr von Calcium in Tablettenform (500-1500 mg/Tag) mehr oder weniger erforderlich. Ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel (25-OH-D3) im Blut ist für den Calciumspiegel ebenfalls wichtig und sollte möglichst schon vor der OP angestrebt werden.
Präparate mit dem Wirkstoff Calcitriol, Alfacalcidol oder Dihydrotachysterol (oft auch „Vitamin-D-Präparate“ genannt) stehen für die Therapie bei Hypoparathyreoidismus zur Verfügung. Die individuell erforderliche Dosierung ist nur durch Ausprobieren herauszufinden, was von Arzt und Patient viel Geduld erfordert. Natives Vitamin D (Cholecalciferol) in sehr hoher Dosierung (10.000 I.E. und mehr/Tag) wird gelegentlich auch noch eingesetzt, hat aber diverse Nachteile.
Achtung: Da die für Osteoporose angewendeten Calcium-Vitamin D-Kombipräparate zu wenig Vitamin D enthalten, sind sie im Fall des Hypoparathyreoidismus ungeeignet. Calciumpräparate sind hier daher auch nur als Monopräparat (ohne Vit D) verschreibungsfähig.
Ausführlichere Informationen findet man über hypoara.de sowie über www.sd-krebs.de ( Wiki: Wo finde ich Informationen zur Nebenschilddrüsenunterfunktion? ). Ein kostenloser Behandlungsausweis für Patienten ist über den Bundesverband Schilddrüsenkrebs – Ohne Schilddrüse leben e.V. erhältlich (Infomaterial).
Erfahrungsaustausch über die Forums-Gruppe: Nebenschilddrüsenunterfunktion
Horner-Syndrom

Der Sympathikus ist ein Nerv, der sich durch große Teile des Körpers zieht. Bedingt durch seine Lage u. a. im Halsbereich kann es bei einer Schilddrüsenoperation in sehr seltenen Fällen zu einer Schädigung des Sympathikus kommen.

Beim dadurch hervorgerufenen Horner-Syndrom können folgende Symptome auftreten: Pupillenverengung, Lichtempfindlichkeit, Herabhängen des oberen Augenlides, Zurücksinken des Auges in die Augenhöhle, gestörte Schweißbildung der oberen Körperhälfte auf der betroffenen Seite.
Das herabhängende Augenlid kann durch eine so genannte Ptosis-Operation korrigiert werden.
Erfahrungsaustausch über die Forums-Gruppe: Horner-Syndrom
Lymphödem
Wenn bei einer Operation wegen Schilddrüsenkrebs viele Lymphknoten entfernt wurden, besteht die Gefahr, dass die Lymphflüssigkeit nicht mehr ausreichend über die Lymphgefäße abtransportiert werden kann und es zu Flüssigkeitsansammlungen kommt.
Lymphsystem:
Ähnlich wie das Blut fließt die Lymphflüssigkeit in den Lymphgefäßen durch den ganzen Körper.
Die Lymphknoten als Teil des Immunsystems filtern Krankheitserreger heraus und zerstören sie.
Derartige Lymphödeme können bis zu zwei Jahre nach der Operation auftreten.
Vorbeugend sollten vor allem in den ersten sechs Monaten nach Entfernung von mehreren Lymphknoten zu große Hitze bei starker Sonneneinstrahlung, Thermalbäder oder Saunagänge vermieden werden.
Lymphödeme werden mit der manuellen Lymphdrainage behandelt. Dabei handelt es sich um eine Massagetechnik, die von speziell ausgebildeten Physiotherapeuten durchgeführt wird.
Lymphdrainagen können sehr hilfreich sein, sprechen Sie aber vorher mit Ihrem Arzt darüber, ob diese in Ihrem Fall empfohlen werden können oder Sie lieber noch warten sollten.
Erfahrungsaustausch über die Forums-Gruppe: Lymphödeme / Lymphdrainage
Wundinfektion
Bei ca. 0,5 % der Schilddrüsenoperationen kommt es zu einer Wundinfektion. Die meisten Wundinfektionen treten dabei erst nach Entlassung aus dem Krankenhaus auf. Eine prophylaktische Antibiotikagabe ist jedoch nur bei Risikopatienten angezeigt. Bei Anzeichen einer Entzündung sollten Sie daher den Arzt aufsuchen.
Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) hat eine Patienteninformation erstellt:
Operationswunde – Infektionen verhindern oder früh erkennen
Intraoperative Verbrennungen
Intraoperative Verbrennungen sind eine extrem seltenen Nebenwirkung einer Schilddrüsenoperation.
Die Verbrennungen können verschiedene Ursachen haben:
- fehlerhaftes elektrochirurgisches Gerät,
- eine falsch positionierte neutrale Elektrode,
- Feuchtigkeit unter der negativen Elektrode,
- Verbrennungen während der Operation, während Flüssigkeit oder Blut alternative Stromwege erzeugten,
- chemische Verbrennungen nach der Hautvorbereitung mit Betadinlösung
- (…)
Eine frühzeitige Untersuchung und die sofortige Einbeziehung von plastischen Chirurg*innen und Verbrennungschirurg*innen können weitere Komplikationen verhindern.
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Autor: Harald | Arbeitsgruppe: Arbeitsgruppe Knoten der Schilddrüse und benigne Schilddrüsenerkrankungen | Letzte Aktualisierung: 04.11.2022 von Harald | W-Nummer: 423500
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Inhaltsverzeichnis:
- 1. Einleitung
- 2. Funktion der Schilddrüse
- 3. Diagnostik der Knoten der Schilddrüse
- 4. Beobachten und Medikamente
- 5. Schilddrüsenoperation
- 6. Radiojodtherapie (RJT)
- 7. Nach OP und/oder RJT
- Quellen – Broschüre Knoten
- Glossar (gedruckt nur eine Auswahl)
- Fragen zu Ihrem Arzt
- Klinikauswahl?
- Broschüren (Bestellformular Infomaterial)
Autor: Harald | Arbeitsgruppe: Arbeitsgruppe Knoten der Schilddrüse und benigne Schilddrüsenerkrankungen | Letzte Aktualisierung: 04.11.2022 von Harald | W-Nummer: 423500
Krankenhaussterblichkeit
Die Krankenhaussterblichkeit bei Schilddrüsenoperationen liegt bei 0,1%.
Quelle: Philip Baum et.al., 2019: Sterblichkeit und Komplikationen nach viszeralchirurgischen Operationen. Eine bundesweite Analyse basierend auf den diagnosebezogenen Fallgruppen der deutschen Krankenhausabrechnungsdaten. in: Dtsch Arztebl Int 2019, auf engl.: DOI: 10.3238/arztebl.2019.0739
Delirium nach Narkose
siehe auch:
- Review: Postoperative kognitive Dysfunktion (Feinkohl 2017))
- Forenthema: PAWEL: Reduktion von Delirrisiko und postoperativer kognitiver Dysfunktion (POCD) nach Operation im Alter
Ergänzung (04.08.2020):
Autor: Harald | Arbeitsgruppe: Arbeitsgruppe Knoten der Schilddrüse und benigne Schilddrüsenerkrankungen | Letzte Aktualisierung: 04.11.2022 von Harald | W-Nummer: 423500